Zweifel an Mohammeds Existenz gefährdet islamischen Religionsunterricht

Muhammad Sven Kalisch, Islamforscher und bundesweit erster Lehrstuhlinhaber für islamische Religion in Münster, bezweifelt die Existenz des Propheten Mohammed – und handelt sich damit viel Ärger ein. Peter Philipp mit Einzelheiten

Islamforscher Muhammad Sven Kalisch; Foto: DW
Im Kreuzfeuer der Kritik: Kalischs Aussagen stoßen auf Ablehnung bei islamischen Organisationen in Deutschland, der Islamwissenschaftler hingegen fordert eine historisch-kritische Forschung zum Thema Islam.

​​Der Plan, Lehrer für islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen auszubilden, hat dieser Tage einen schweren Rückschlag erfahren:

Der "Koordinationsrat der Muslime in Deutschland" (KRM), dem die vier größten muslimischen Organisationen in Deutschland angehören, hat seine Zusammenarbeit mit dem "Centrum für Religiöse Studien" an der Universität Münster eingestellt, das erst vor wenigen Jahren als erstes seiner Art Kurse zur Ausbildung von Islam-Religionslehrern aufgenommen hatte.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht der Direktor des Instituts: Professor Muhammad Sven Kalisch, der selbst als 15jähriger zum Islam übergetreten war. Kalisch erzählte in einem Rundfunkinterview, dass er nach umfangreichen Studien zu einer – besonders für einen Muslim – brisanten Erkenntnis gekommen ist:

Tendenz zur Nicht-Existenz Mohammads

"Die Ergebnisse, die für mich dabei herausgekommen sind, sind einfach die, dass nach meiner Überzeugung es weder beweisbar ist, das Mohammed gelebt hat oder nicht gelebt hat", so Kalisch. "Ich glaube, das kann man nicht eindeutig entscheiden – wenngleich ich zugebe, dass ich eine gewisse Tendenz zu seiner Nicht-Existenz habe. Aber das muss man sagen können und darüber muss man sich wissenschaftlich auseinandersetzen können."

Ali Kizilkaya; &copy picture-alliance
Ali Kizilkaya: "Wir sind überzeugt, dass es den Propheten gegeben hat und dass der Koran Gottes Wort ist"

​​Doch der Koordinierungsrat der Muslime ist nicht bereit zu solch einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Dies sei auch nicht dessen Aufgabe und auch nicht das Thema, meint der Sprecher des Rates, Ali Kizilkaya, der kritisch feststellt:

"Also, wenn es den Propheten nicht gegeben hat, dann gibt es den Koran nicht. Und wenn es den Koran nicht gibt – was bleibt übrig?", fragt Kizilkaya und fügt hinzu: "Also, dann müsste man die Religion abschaffen. Nein, also das glauben wir nicht: Wir sind überzeugt, dass es den Propheten gegeben hat und dass der Koran Gottes Wort ist."

Die Frage der akademischen Freiheit des Forschers steht für den Koordinierungsrat hierbei auch nicht zur Diskussion, sondern die Frage, ob jemand mit solchen Ansichten und Überzeugungen geeignet ist, Religionslehrer auszubilden – für eine Religion, an deren Grundfesten er selbst Zweifel anmeldet.

Der Rat hat deswegen nicht nur seine Mitarbeit im Beirat des Münsteraner Instituts eingestellt, er ruft auch junge Muslime auf, sich nicht mehr für den dortigen Studiengang einzuschreiben.

Rückschlag für islamischen Religionsunterricht

Die Verärgerung über die Thesen des Professors und der Rückzug des Koordinationsrates dürften die Bemühungen um eine Verbesserung der Integration von Muslimen in Deutschland um mehrere Schritte zurückwerfen.

Denn die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen und mit in Deutschland ausgebildeten Lehrern dürfte nun – zumindest im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen – erneut auf die lange Bank geschoben werden. Obwohl die deutschen Behörden und auch die wichtigsten muslimischen Verbände sich grundsätzlich eigentlich darüber einig waren.

Islamunterricht in Deutschland; Foto: dpa
Die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen und mit in Deutschland ausgebildeten Lehrern dürfte nach dem Streit um Kalisch erneut auf die lange Bank geschoben werden.

​​Die Themen "Integration" und "Dialog mit dem Islam" werden spätestens seit dem 11. September 2001 auch in Deutschland groß geschrieben.

Die Tatsache, dass einige der Täter als so genannte "Schläfer" unerkannt in Deutschland gelebt hatten, verstärkte die Furcht, dass auch andere Muslime hier dem Einfluss radikaler Gruppen ausgesetzt sein könnten, vor allem aber, dass muslimische Kinder und Jugendliche möglicherweise in privatem Religionsunterricht von religiösen Fanatikern indoktriniert werden.

Weitgehend unbeachtet war bis dahin nämlich geblieben, dass die rund 800.000 Kinder der etwa drei Millionen Muslime in Deutschland Religionsunterricht nicht an den staatlichen deutschen Schulen erhielten, sondern in "Hinterhof-Koranschulen", deren Lehrpersonal wie auch Lehrpläne weitgehend unkontrolliert blieben von den staatlichen Schulbehörden.

Langer Weg bis zur rechtlichen Gleichstellung

Laut Artikel 7 des Grundgesetzes haben die Religionsgemeinschaften ein Mitspracherecht bei der Gestaltung des ebenfalls in der Verfassung verankerten Religionsunterrichts. Bei den Kirchen funktioniert dies, und die Kirchen würden natürlich ihre Religionslehrer nicht bei jemandem studieren lassen, der die Grundlage des christlichen Glaubens in Frage stellt.

Im Fall der Muslime ist die Lage komplizierter, weil diese bisher nicht als religiöse Körperschaft auftreten und anerkannt sind. Die Gründung des Koordinierungsrates war ein erster Schritt in diese Richtung, der Weg zu einer rechtlichen Gleichstellung mit Christen und Juden in Deutschland ist aber wohl noch lang.

Je länger die Frage aber nicht geregelt wird, desto mehr wird dadurch auch die erhoffte Integration untergraben, weil die Kinder das Gefühl bekämen, für ihre Religion gebe es in der Schule keinen Platz. Wie lange es noch bis zur erhofften "Normalisierung" dauern mag, kann auch Kizilkaya nicht sagen, besonders jetzt nicht – nach dem Streit um Professor Kalisch.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE 2008

Qantara.de

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Muhammad Kalisch:
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