Ägyptische Jugendliche fordern Veränderung

Aus der ägyptischen "Kifaya"-Bewegung, die für eine Demokratisierung Ägyptens kämpft, haben sich mehr als hundert Jugendliche zu einer Jugendbewegung zusammengeschlossen. Über die Ziele der "Kifaya"-Jugend berichtet Nelly Youssef.

Demonstration in Ägypten; Foto: AP
Auch die Jugendbewegung von "Kifaya" demonstriert für freie Präsidentschaftswahlen, die Aufhebung des Ausnahmezustands und gegen die Korruption

​​Die "Kifaya"-Bewegung, benannt nach dem Slogan "kifaya – es reicht!", gab kürzlich die Gründung einer Jugendorganisation bekannt. Unter der Obhut der Mutterorganisation soll die Jugendorganisation die Ziele der "Kifaya"-Bewegung vertreten und sie bei ihren Aktivitäten unterstützen, mit denen sie für Freiheit und Demokratie kämpft.

Khaled Abd al-Hamid ist Mitglied von "Jugend für Veränderung", oder kurz "Shabab Kifaya", der "Kifaya"-Jugend. Mit einigen Gleichgesinnten hatte er vom Planungskomitee der Mutterorganisation die Gründung von "Shabab Kifaya" gefordert. Zuvor sind aus der "Bewegung für Veränderung" bereits andere Organisationen hervorgegangen, so zum Beispiel "Arbeiter für Veränderung", "Bauern für Veränderung" oder "Anwälte für Veränderung".

Die "Kifaya"-Jugend plant wöchentliche Diskussionskreise, abendliche Kulturveranstaltungen oder Dichterlesungen sowie Ausstellungen, in denen über das Medium der Kunst die Ziele der Organisation vermittelt werden sollen. Um zu erreichen, dass mehr junge Menschen an den Demonstrationen teilnehmen, werden Slogans und Poster entworfen, die überall in Ägypten plakatiert werden sollen. Selbst in den öffentlichen Verkehrsmitteln wollen die Jugendlichen die Aufrufe zu Demonstrationen und Veranstaltungstermine von "Kifaya" aufhängen.

Auch neue Demonstrationsformen haben die Jugendlichen entwickelt. Unter dem Motto "tut-tut - es reicht" versammeln sich Mitglieder der "Kifaya"-Jugend mit ihren Autos auf Straßen und Plätzen in den ägyptischen Städten, beginnen laut zu hupen, und rufen dann alle zusammen Minuten lang "es reicht!" Dann machen sie sich aus dem Staub, bevor der Verkehr zusammenbricht und die Sicherheitskräfte ihnen zu Leibe rücken.

Die ägyptische Jugend ist zu passiv

Khaled Abd al-Hamid glaubt, dass die Mehrzahl der jungen Ägypter für eine Verlängerung der Amtszeit Mubaraks sei - nach dem Motto "da weiß man wenigstens, woran man ist". Die Jugendlichen seien unbeweglich und jedem gesellschaftlichen Engagement abgeneigt.

Seine Organisation "Jugend für Veränderung" müsse daher versuchen, die jungen Ägypter in den Universitäten und an ihren Arbeitsplätzen zu erreichen, um sie aus ihrer Lethargie zu reißen und ihr politisches Bewusstsein zu wecken.

Wie die "Kifaya"-Bewegung fordert auch ihre Jugendorganisation, dass die Präsidentschaft Hosni Mubaraks kein weiteres Mal verlängert und die Regierungsmacht nicht an Mubaraks Sohn übertragen wird. Außerdem verlangen sie die Aufhebung des Ausnahmezustands sowie die Bekämpfung der Korruption. Dabei geht es ihnen nicht darum, einen Ersatz für den gegenwärtigen Präsidenten zu bieten, sondern um eine Veränderung des Status Quo.

Doch die "Kifaya"-Jugend hat auch ein auf die Jugendlichen zugeschnittenes Programm: Die Bewegung fordert die Unabhängigkeit der Universitäten und die Ablehnung des Dekrets Nr. 79, das den Sicherheitskräften erlaubt, alle studentischen Aktionen zu unterbinden. Außerdem verlangen sie, dass die Präsidenten der Universitäten und die Dekane der Fakultäten aus freien und fairen Wahlen hervorgehen statt durch Ernennung, wie es bisherige Praxis ist.

Kontakte zur Bevölkerung

Sarah studiert Literatur an der Kairo-Universität und ist Mitglied bei "Jugend für Veränderung". Sie wünscht sich, dass einige der Mitglieder der Organisation weniger verbissen ihre ureigensten ideologischen Überzeugungen vertreten. Manchmal sind ihr die Diskussionen in den Gesprächskreisen der "Kifaya"-Jugend viel zu hitzig.

Sinnvoller, so berichtet Sarah, findet sie Aktionen wie Straßenumfragen, bei denen die Mitglieder der "Kifaya"-Jugend in Erfahrung bringen, was den Bürgern und besonders den Jüngeren am Herzen liegt. In diesem Zusammenhang weist sie darauf hin, dass sich ihre Organisation prinzipiell von allen anderen politischen Organisationen unterscheidet: Ihr Betätigungsfeld ist allein die Straße, der direkte Kontakt zur Bevölkerung, und nicht, wie bei den meisten anderen politischen Organisationen, die ägyptischen Gerichtssäle.

"Jugend für Veränderung" sucht den Kontakt zu Gleichgesinnten, die in anderen Ländern ähnliche Jugendbewegungen ins Leben gerufen haben. Denn die Situation, in der sich die ägyptische Bevölkerung befindet, unterscheidet sich nicht wesentlich von der anderer arabischer Gesellschaften: beinahe überall herrschen Korruption und Despotismus.

Nelly Youssef

Aus dem Arabischen von Stefanie Gsell

© Qantara.de 2005

Qantara.de
Interview Nabil Abdel Fatah
Entfremdung als Triebfeder des Terrorismus in Ägypten
Die jüngsten Terroranschläge in Kairo werfen viele Fragen nach den Hintergründen und Motiven der Attentäter auf. Hierüber hat sich Nelly Youssef mit Nabil Abdel Fatah, Wissenschaftler am "Al-Ahram Center for Political and Strategic Studies" in Kairo, unterhalten.

Interview Ahmad Saif al-Islam Hamad
Gegen Wiederernennung und Erbfolge in Ägypten
Im September 2005 sollen die Ägypter der erneuten Ernennung Husni Mubaraks als Staatspräsident zustimmen. Dagegen macht sich offene Opposition breit. Ahmad Saif al-Islam Hamad, Exekutiv-Direktor des Hisham-Mubarak-Zentrums für Recht, erläutert in einem Interview mit Mona Naggar die Hintergründe der Bewegung.

Interview Saad Eddin Ibrahim
Der Thron der arabischen Despoten wackelt
Der ägyptische Menschenrechtler und Direktor des Ibn-Khaldun-Zentrums in Kairo, Saad Eddin Ibrahim, sieht positive Anzeichen für eine allmähliche demokratische Öffnung der autoritären arabischen Staaten. In diesem Reformprozess dürften die Islamisten jedoch nicht vom politischen Dialog ausgeschlossen werden.