Deutscher Föderalismus Vorbild für den Irak?

Drei Mitglieder der irakischen Verfassungskommission beteiligten sich in der Deutschen Welle an einer Diskussion über strittige Fragen bezüglich der zukünftigen Verfassung, etwa Probleme des Föderalismus und die Rolle der Scharia. Mit ihnen sprach Ahmad Hissou.

Drei Mitglieder der irakischen Verfassungskommission, die bis Mitte August ihren Vorschlag unterbreiten muss, beteiligten sich in der Deutschen Welle an einer Diskussion über strittige Fragen bezüglich der zukünftigen Verfassung wie Probleme des Föderalismus, die Rolle der Scharia oder der Status der Frau im neuen Irak.

Frau Alaa al-Saadoun ist Mitglied der sunnitischen Irakischen Islamischen Partei, Sami Schabak sitzt für die Kurdische Allianz im irakischen Parlament und Dr. Hassan Abdul Latif al-Bazzaz ist Berater der sunnitischen Mitglieder. Die Diskussionsleitung hatte Ahmad Hissou.

Es gibt Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden großen Gruppierungen innerhalb der irakischen Übergangsregierung, der Vereinigten Irakischen Koalition, der so genannten schiitischen Allianz, und der Kurdischen Allianz, über einen möglichen Föderalismus und über die Zugehörigkeit der Stadt Kirkuk. Sie haben in der heutigen Pressekonferenz gesagt, dass Sie sich bereits über einen großen Teil der zukünftigen Verfassung geeinigt haben. Wie weit sind Sie in punkto Föderalismus und bezüglich der Stadt Kirkuk gekommen?

Sami Schabak: In Wirklichkeit gibt es keine Meinungsverschiedenheiten. Aber die Zukunft der Stadt Kirkuk ist ein wichtiger Punkt, das heißt, die Anwendung von Paragraph 58 des Provisorischen Verwaltungsgesetzes. Wie Sie wissen, heißt es dort, dass die Situation innerhalb Kirkuks normalisiert werden muss. Es gibt darüber eine Vereinbarung zwischen der Kurdischen Allianz und der Vereinigten Irakischen Allianz.

Es scheint nun aber von Seiten der Regierung al-Dschaafari einen Rückschritt zu geben bezüglich der Anwendung dieses Gesetzes. In der Nationalversammlung gab es kurz bevor wir nach Deutschland gekommen sind, einen einstimmigen Beschluss darüber, dass dieses Gesetz zur Anwendung kommen und das damit beauftragte Gremium unter der Leitung von Hamid Madjid Musa seine Arbeit aufnehmen muss. Dann sollte innerhalb kurzer Zeit eine Normalisierung der Lage in Kirkuk stattgefunden haben.

Masud al-Barzani hat mehrmals gesagt, dass Kirkuk eine Stadt mit einer kurdischen Identität sei und dass die Kurden einen geographischen Föderalismus fordern. Herr al-Bazzaz, wir haben in den letzten Tagen Einwände von sunnitischer Seite über das Thema Föderalismus gehört, besonders bezüglich des Südirak. Wie soll Ihrer Meinung nach der Föderalismus aussehen?

Hassan Abdul-Latif al-Bazzaz: Ich sehe eigentlich keine besondere sunnitische Position bezüglich des Föderalismus. Es gibt bei vielen Irakern einige Vorbehalte, was das Wort Föderalismus betrifft, denn es ist neu für sie, und einige glauben, es bedeute eine Spaltung des Irak.

Ich habe eine Umfrage gelesen, die besagt, dass mehr als 76 Prozent der Iraker den Föderalismus nicht gutheißen. Das ist ein Problem der politischen Kräfte im Irak, da sie die Iraker nicht über das Thema Föderalismus aufklären.

Al-Bazzaz: Deshalb wollen gerade wir dies tun. Der Föderalismus ist ein erfolgreiches System, vor dem man sich nicht fürchten muss. Hoffentlich werden wir dabei auch Erfolg haben und politisch so lange daran arbeiten, bis es eine Akzeptanz für den Föderalismus gibt. Das betrifft nicht nur die Sunniten, sondern viele Iraker. Besonders die Araber halten ihn für einen Schritt in Richtung Spaltung des Irak. Das ist meiner Meinung nach falsch und weit von der Wirklichkeit entfernt. Wir müssen in der Lage sein, eine Verfassung für alle Iraker auszuarbeiten, mit der sie einverstanden sind. Ich glaube, das ist das eigentlich Problem bei der Akzeptanz des Föderalismus.

Sind Sie für einen geographischen Föderalismus oder einen administrativen Föderalismus?

Al-Bazzaz: Wenn die Kurden eine Abspaltung vom Irak gewollt hätten, hätten sie sich nicht wieder angeschlossen, nachdem sie 1992 Autonomie erlangt hatten. Ich glaube, sie wollen einen vereinten Irak innerhalb eines föderalen Staates, der ihnen ihre Rechte garantiert. Das ist ein natürliches Recht, und ich glaube, dass wir alle das unterstützen. Wenn sich die Angelegenheit weiter entwickeln sollte, werden wir weitersehen.

Also einen geographischen Föderalismus?

Al-Bazzaz: Ja, einen geographischen Föderalismus. Einen Föderalismus, der auf administrativen Dingen aufbaut wie auch auf der historischen Realität.

Frau al-Saadoun, wie steht die Islamische Partei zu diesem Problem?

Alaa al-Saadoun: Der Beschluss der Verfassungskommission wird in Übereinstimmung getroffen werden. Alle Seiten müssen dem zustimmen. Und die Islamische Partei wird mit den Anderen einer Meinung sein. Wir schwanken allerdings zwischen einem administrativen Föderalismus, der jede Provinz für sich selbst aufnimmt, und einem Föderalismus, der nur den kurdischen Teil des Irak betrifft, weil das ein besonderer Fall ist. Dies auf den ganzen Irak auszuweiten, steht derzeit nicht zur Diskussion.

Fürchten Sie die Errichtung eines schiitischen Föderalismus im Süden?

Al-Saadoun: Wir fürchten gar nichts, vorausgesetzt, die Verfassung garantiert die gerechte Verteilung der Reichtümer an alle Bürger. Wenn das nicht klar geregelt ist in der Verfassung, dann befürchten wir eine administrative Abspaltung einiger Provinzen.

Alaa Al- Saadoun, Sami Schabak und Dr. Hassan Abdul-Latif Al-Bazzaz während einer Pressekonferenz in der Deutschen Welle; Foto: DW
Alaa Al- Saadoun, Sami Schabak und Dr. Hassan Abdul-Latif Al-Bazzaz während einer Pressekonferenz in der Deutschen Welle

​​Herr Schabak, Sie bestehen darauf, dass das Provisorische Verwaltungsgesetz die Grundlage der zukünftigen Verfassung ist. Haben Sie Schwierigkeiten, die Anderen davon zu überzeugen?

Sami Schabak: Ich glaube, das Provisorische Verwaltungsgesetz ist die beste Lösung und der gemeinsame Nenner für alle Iraker. Es gibt viele große Probleme im Irak, unter anderem die Beziehung von Religion und Staat und das Problem der Nationalitäten. Vielleicht sind einige Abschnitte veraltet. Aber es gibt auch grundlegende Dinge, zum Beispiel der Föderalismus und die Beziehung zwischen Religion und Staat, die übernommen werden müssen. Wir in Kurdistan sind der Meinung, dass das Provisorische Verwaltungsgesetzes Grundlage sein muss. Mit Weniger können wir uns nicht zufrieden geben.

Sie haben gesagt, die Scharia, das islamische Gesetz, solle eine der Quellen der Gesetzgebung werden. Gibt es Übereinstimmung in diesem Punkt? Oder wird sie die hauptsächliche Quelle?

Hassan al-Bazzaz: Über den Islam gibt es keine Meinungsverschiedenheiten. Der Irak ist ein islamisches Land und die überwiegende Mehrheit folgt der islamischen Religion. Den Islam kann man nicht ignorieren. Er ist die grundlegende Autorität, aber nicht die einzige.

Werden Sie in die Verfassung schreiben, dass die islamische Scharia eine der Quellen der Gesetzgebung ist?

Al-Bazaz: Sie ist eine der Hauptquellen, unter der Bedingung, dass die Paragraphen der Verfassung nicht gegen die islamische Religion verstoßen.

Gibt es innerhalb der Kommission Dissens über diesen Punkt?

Al-Bazzaz: Nein, das ist einer der wichtigsten Punkte, über die Übereinstimmung herrscht.

Frau al-Saadoun, fürchten Sie von der Islamischen Partei nicht die Errichtung eines säkularen Staates?

Alaa al-Saadoun: Ganz sicher nicht. Die allgemeine Ausrichtung der Iraker ist der Islam, egal ob sie Schiiten oder Sunniten oder Kurden sind. 97 Prozent der Iraker sind Muslime. Wir haben uns darauf verständigt, dass das islamische Recht eines der Quellen der Gesetzgebung ist, aber nicht die einzige Quelle, auch wenn uns bewusst ist, dass nicht alle Iraker das akzeptieren. Deshalb haben wir zugestimmt, unter der Bedingung, dass kein Gesetz erlassen wird, das gegen die Scharia verstößt, damit wir unser Land vor allem schützen, was ihm fremd und uneigen ist, Dinge, die im Namen der Freiheit und der Gleichheit eingeführt werden könnten.

Einige Verfassungen garantieren ihren Bürgern die Freiheit, ihre Religion zu wechseln. Das widerspricht der Scharia. Wie werden Sie das handhaben?

Al-Saadoun: Erstens sagt der Islam 'Es gibt keinen Zwang im Glauben. Jeder Mensch wählt seine Religion selbst' ...

Ich frage deshalb, weil Sie in einem anderen Zusammenhang gesagt haben, die Verfassung wird so formuliert, dass sie nicht mit der Scharia im Widerspruch steht.

Al-Saadoun: Die Konstanten des islamischen Rechts sind bekannt. Wir akzeptieren keinen Libertinismus und nicht die Verletzung unserer islamischen Traditionen. So akzeptieren wir auch die Ehe von Homosexuellen und die absolute Freiheit für Mädchen nicht. Diesen Dingen können wir auf keinen Fall zustimmen.

Herr Schabak, fürchten Sie nicht, dass Ihr schiitischer Bündnispartner, das heißt die Dawa-Partei und Der Hohe Rat für die Islamische Revolution im Irak (SCIRI) das iranische Experiment im Irak wiederholen wollen?

Sami Schabak; Foto: DW
Sami Schabak ist Turkmene und sitzt für die Kurdische Allianz im irakischen Parlament

​​Sami Schabak: Absolut nicht, und da spreche ich aus meiner Erfahrung.

Sind Ihre Bündnispartner hundertprozentig auch dieser Meinung?

Schabak: Ja, weil sie sagen, dass sie das Konzept des "Wilayat-e Faqih" (die Stellvertretende Herrschaft der Rechtsgelehrten auf Erden, Anm.d.Ü.) ablehnen und keinen islamischen Staat nach dem Model des iranischen Staates errichten werden. Selbst in der Verfassungskommission hat sich während der Diskussionen mit ihnen heraus gestellt, dass sie die Gründung eines Staates nach dem Beispiel Iran ablehnen. Es besteht Übereinstimmung darin, dass die Verfassung die Rechte und Pflichten Aller garantieren muss und niemandem im Irak schaden darf. Wichtig ist die Errichtung einer Zivilgesellschaft im Irak und die Trennung der drei Gewalten.

Bedeutet das auch Freiheit der anderen Konfessionen und Religionen, ihre Religion auszuüben? Ist die Religionsfreiheit in der neuen Verfassung garantiert?

Hassan Al-Bazaz: Ja, die Religionsfreiheit ist immer in der Verfassung des Irak garantiert gewesen. Ich möchte aber betonen, dass sich der Irak darüber bewusst sein muss, dass wir in einem neuen Zeitalter leben und dass der Säkularismus nicht mit Vorbehalt betrachtet werden darf. Wenn Sie über einen liberalen Staat sprechen, glauben einige, dieser Staat sei gegen die Religion, und das ist falsch. Weder Liberalismus noch Säkularismus beinhalten dies.

Wir sagen nicht, dass man Religion und Staat trennen muss, aber man muss einigen Dingen Rechnung tragen, zu denen dies auch gehört und vor denen man sich nicht fürchten muss. Die religiösen Minderheiten haben zum Beispiel vor zweieinhalb Jahren begonnen, ihren Glauben und ihre Riten frei zu leben. Und alle akzeptieren dies mittlerweile, nachdem es früher Vorbehalte dagegen gegeben hatte. Wenn dies in der Verfassung festgeschrieben wird, sehe ich kein Problem.

Kommen wir zum Thema Frau. Während der Übergangsregierung unter Abd al-Aziz al-Hakim gab es den Versuch, das Personenstandsgesetz aus dem Jahr 1959 zu annullieren, das Beobachter als größte Errungenschaft der irakischen Frauen in der Moderne betrachten. Wie gehen Sie in der Verfassungskommission mit diesem Gesetz um?

Alaa al-Saadoun: Das Gesetz, das Abd al-Aziz al-Hakim stattdessen durchsetzen wollte, besagte, dass jede Religionsgemeinschaft gemäß ihrer Rechtsschule behandelt werde. Er teilte die Bevölkerung in Rechtsschulen auf, obwohl er wusste, dass das Personenstandsrecht aus dem Jahr 1959 das beste überhaupt war.

Und was werden Sie in der Verfassungskommission wählen?

Al-Saadoun: Ganz sicher das Gesetz aus dem Jahr 1959, denn die Personenstandsangelegenheiten haben mit dem islamischen Recht zu tun. Das Gesetz aus dem Jahr 1959 hatte übrigens aus den verschiedenen Rechtsschulen das Beste für die Frau ausgewählt, sogar im Erbrecht. (...) Wir betrachten die Scharia als Ganzes, ohne einer Konfession oder Gruppe den Vorzug zu geben, und damit sind die Rechte der Frauen garantiert.

Auch das Recht auf politische Arbeit oder Arbeit in öffentlichen Positionen?

Al-Saadoun: Zu den wichtigsten Rechten, die der Islam der Frau gegeben hat, gehört, dass sie eine eigene materielle Absicherung hat, über die sie selbst bestimmt, ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes.

Das zweite Recht der Frau ist das der Teilhabe an Wahlen und der politischen Beteiligung sowie ihr Recht, hohe Positionen einzunehmen, sei es als Ministerin oder in der Justiz, außer im Strafrecht, weil ihr das nicht zuzumuten ist.

Haben Sie in der Verfassungskommission dieses Personenstandsgesetz aus dem Jahr 1959 übernommen?

Al-Saadoun: Den ersten Paragraphen über den Abschnitt der Freiheiten, der Pflichten und der Rechte, nämlich die Gleichheit von Frau und Mann in Rechten und Pflichten.

Wie stellen Sie sich von der Demokratischen Patriotischen Allianz Kurdistans die Beziehung Iraks zu seinen arabischen Nachbarn vor? Werden Sie zustimmen, dass in der irakischen Verfassung der Satz steht: "Der Irak ist ein arabischer Staat"?

Sami Schabak: Wir sind absolut dagegen. Wie Sie wissen, ist nach dem Provisorischen Verwaltungsgesetz das arabische Volk im Irak ein Teil der arabischen Nation. Aber bin ich als Kurde oder Turkmene oder Chaldäer ein Teil der arabischen Nation? Das ist absolut inakzeptabel.

Welche Formulierung werden Sie vorschlagen?

Schabak: Das arabische Volk im Irak ist ein Teil der arabischen Nation. Darauf hat man sich verständigt.

Wie werden Sie den Irak bezeichnen?

Schabak: Vereinigte Irakische Republik.

Was ist Ihre Meinung, Herr al-Bazzaz?

Hassan al-Bazzaz: Ich bin nicht dieser Meinung. Der Irak ist ein arabisches Land, die Araber stellen 85 Prozent der Bevölkerung. Was der Kollege gesagt hat, stand in dem Provisorischen Verwaltungsgesetz von Paul Bremer.

Aber der Irak hieß immer 'Irakische Republik'.

Sami Schabak: Wie können die Araber 85 Prozent ausmachen und die Kurden 25 Prozent? Das ist nicht richtig.

Hassan al-Bazzaz; Foto: DW
Hassan al-Bazzaz berät die Sunniten in der irakischen Verfassungskommission

​​Hassan al-Bazzaz: Nehmen wir einmal an, es sind 25 Prozent. 75 Prozent der Bevölkerung des Irak sind Araber, der Irak ist ein arabisches Land, die ganze Geschichte der Araber kommt aus Bagdad. Und da kommt eine Gruppe, die 15 oder 25 Prozent ausmacht und löscht die Identität dieses Landes aus? Wir sind auf dem Weg zu einem demokratischen System. Also bitte, gehen Sie an die Wahlurnen, und dort wird entschieden, ob der Irak ein arabisches Land ist oder nicht. Mehr verlangen wir nicht.

Wie steht die Islamische Partei zu diesem Problem, Frau al-Saadoun?

Alaa al-Saadoun: 'Irakische Republik' hieß der Irak aus Respekt gegenüber den Kurden, und eben nicht 'Arabische Irakische Republik', wie es in Ägypten und in Syrien der Fall ist. Wir hoffen, dass sie auch uns respektieren. Wir können in keiner Weise auf unsere arabische Identität verzichten.

Auf welchen Kompromiss werden Sie sich wohl in der Kommission einigen?

Sami Schabak: Ich glaube, dass es den Irak gibt, und das ist auch richtig so. Aber wir in Kurdistan betrachten uns absolut nicht als Teil der arabischen Nation.

Sind Sie Teil der kurdischen Nation?

Schabak: Wenn sie sagen 'Wir sind Teil der arabischen Nation', dann sagt der Kurde 'Wir sind Teil der kurdischen Nation'.

Kommen wir noch zu einem anderen Punkt, nämlich der Verteilung der Reichtümer. Herr Schabak, kann der Sudan und das Friedensabkommen, das kürzlich dort geschlossen wurde, ein Vorbild für die Aufteilung der Reichtümer des Landes sein? Die Kurden haben das Thema schon angesprochen. Was werden Sie in der Kommission vorschlagen?

Sami Schabak: Unserer Meinung nach muss es ein Gleichgewicht bei der Verteilung geben. Es gibt sehr arme Regionen im Irak.

Bedeutet das, dass Sie nicht nur für Kurdistan eine gerechte Verteilung fordern, sondern für alle Regionen.

Schabak: Ja, für alle.

Wie wird die Verteilung aussehen?

Schabak: Wir haben 17 Prozent des Staatshaushaltes für Kurdistan vorgesehen. Das wird aber dann erst wirklich entschieden, wenn eine neue Regierung gebildet ist. Die Verteilung der Reichtümer ist äußerst wichtig für das irakische Volk.

Wird die Verteilung nach regionalen oder nach Kriterien der Volkszugehörigkeit stattfinden?

Schabak: Weder nach Kriterien der Volkszugehörigkeit noch der Zugehörigkeit zu einer Konfession.

Alaa al-Saadoun: Dieses Thema steht noch zur Diskussion.

Stimmen Sie dem zu, was Herr Schabak gesagt hat?

Al-Saadoun: Ich kann nicht mit 'Nein' oder 'Ja' antworten, aber wir haben Prioritäten. Die Lage im Irak ist absolut katastrophal. Das Land und seine Infrastruktur müssen erst einmal wieder aufgebaut werden, dann werden wir über die Verteilung der Reichtümer sprechen.

Herr Al-Bazzaz, akzeptieren Sie die Idee, die Reichtümer aufzuteilen?

Hassan al-Bazzaz: Das Einkommen des Staates gehört zu den grundlegenden Dingen, die zentral verwaltet werden und einer umfassenden Kontrolle unterstehen müssen. Weitere Hilfeleistungen müssen auf der Grundlage der Bedürftigkeit und nicht nach Ethnien- oder Religionszugehörigkeit entschieden werden.

Aber die kurdischen Führer sprachen über einen bestimmten Prozentsatz für Kurdistan!

Al-Bazaz: Weil sie in einer besonderen Situation sind. Sie haben Sudan als Beispiel genannt. Im Sudan war es so, dass die Region, die sich abspalten wollte, das Erdöl besaß. Deshalb hat die Zentralregierung, als diese Region sich wieder mit ihr vereinte, davon profitiert. Im Irak ist der Reichtum verteilt.(…)

Wir haben über wichtige Punkte der Verfassung gesprochen. Sie waren nun einige Tage in Deutschland. Was haben Sie gelernt?

Hassan al-Bazzaz: Sehr viel. Das kann man jetzt gar nicht alles erklären. Wir haben viele deutsche Experten gehört und festgestellt, dass der deutsche Föderalismus uns näher ist als andaere. Wir werden davon sehr profitieren.

Diskussionsleitung Ahmad Hissou

Aus dem Arabischen von Larissa Bender

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Kirkuk – Stadt des Anstosses im Irak
Schwierige Verständigung zwischen den Volksgruppen
Kurden, Turkmenen und Araber reklamieren seit dem Fall Saddam Husseins die irakische Stadt Kirkuk für sich. Wie die gegensätzlichen Ansprüche aufgelöst werden sollen, ist noch völlig offen. Volker Perthes besuchte das Zentrum für Dialog und soziale Entwicklung in Kirkuk.