Terror, Dürre, Hoffnung - Somalia ist ein Land im Umbruch

Wenn in London an diesem Donnerstag die Zukunft Somalias diskutiert wird, sind keine einfachen Antworten zu erwarten. Von Marc Engelhardt

«Die Probleme, unter denen Somalia heute leidet, haben sich über mehr als 20 Jahre aufgebaut», sagte Präsident Mohamed Abdullahi Farmajo bei seiner Vereidigung Ende Februar. «Es wird vermutlich mehr als noch einmal 20 Jahre dauern, diese Probleme zu lösen.» Die Nation am Horn von Afrika gilt nach Jahrzehnten von Bürgerkrieg und Terror bis heute als gefährlichster Staat der Welt. Die Infrastruktur ist zerstört, die meisten Menschen bettelarm, Millionen hungern.

Mehr als sechs Millionen Menschen, jeder zweite Somalier, sind wegen der anhaltenden Gewalt und nach mehreren aufeinanderfolgenden Dürren auf internationale Hilfe angewiesen. Drei Millionen Somaliern droht der Hungertod. Den Helfern fehlt Geld: Die UN schätzen die Kosten für die dringendste Hilfe auf 863,5 Millionen US-Dollar, bislang ist erst etwas mehr als die Hälfte zugesagt. Ein Problem ist außerdem der Zugang in Gebiete, die von der Terrorgruppe Al-Shabaab kontrolliert werden. Deshalb fliehen die Hungernden: Mehr als 600.000 von ihnen sind in den vergangenen Wochen in die Städte geflohen, vor allem die Hauptstadt Mogadischu platzt aus allen Nähten.

Selbstmordattentäter verüben dort immer wieder Anschläge, zünden Autobomben. Trotzdem ist die Lage sicherer als auf dem Land. Dort herrscht nicht Farmajos Regierung, sondern die islamistische Al-Shabaab. Erst am Dienstag überfielen ihre Terrorkämpfer einen Stützpunkt der Armee im Südwesten des Landes, töteten nach eigenen Angaben 17 Soldaten. Somalias Armee ist nach Ansicht von Sicherheitsexperten zu klein, zu schlecht ausgerüstet und leidet unter schlechter Moral. Die 200 US-Dollar Sold, die jeder Soldat im Monat erhalten soll, verschwinden oftmals in den Taschen korrupter Politiker und Beamter.

Als Sicherheitsgarant gilt die afrikanische Friedenstruppe Amisom, deren Zukunft aber ungewiss ist. Spätestens 2018 sollen die 22.000 Mann durch somalische Soldaten abgelöst werden, auch weil die EU ihre Finanzhilfen drastisch kürzen will. Amisom-Soldaten aus Kenia, Äthiopien, Burundi und Uganda wurden ihrerseits immer wieder für die Verwicklung in mafiöse Geschäfte und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht. Anderen afrikanischen Staaten ist die Stationierung von Truppen dagegen zu gefährlich.

Der 55-jährige Farmajo, der von einem indirekt bestimmten Parlament gewählt wurde, ist für viele Somalier ein Hoffnungsträger. Er gilt als integer, hat lange als Flüchtling in den USA gelebt und gute Verbindungen zur wichtigen Diaspora. In den vergangenen Jahren sind viele ehemalige Flüchtlinge zurückgekehrt, investieren in der alten Heimat. Gefährdet wird dieser zarte wirtschaftliche Wandel durch Konflikte zwischen verfeindeten Clans und eine Militarisierung des Landes. Die USA haben ihre Truppenpräsenz aufgestockt, die Türkei soll in diesen Tagen eine Militärbasis in Somalia eröffnen. (epd)