Gespräche zwischen Taliban und afghanischen Politikern: Bewegung im Afghanistan-Konflikt

Der Afghanistan-Konflikt ist in seinem 19. Jahr. Nach Angaben von US-Präsident Trump nehmen die Verhandlungen mit den Taliban nun aber Fahrt auf. Bei Fortschritten stellt Trump eine Reduzierung der US-Truppen in Aussicht. Folgen hätte das auch für die Bundeswehr. Von Can Merey, Maren Hennemuth und Veronika Eschbacher

Mehr als 18 Jahre nach Beginn des internationalen Militäreinsatzes in Afghanistan kommt Bewegung in die Bemühungen um eine Lösung des blutigen Konflikts mit den Taliban.

«Ich habe auch unsere Verhandlungen beschleunigt, um - wenn möglich - eine politische Lösung in Afghanistan zu finden», sagte Trump am vergangenen Dienstagabend (Ortszeit) bei seiner Ansprache an die Nation vor dem US-Kongress. «Indem wir Fortschritte bei diesen Verhandlungen erzielen, werden wir in der Lage sein, unsere Truppenpräsenz zu reduzieren und uns auf Terrorismusbekämpfung zu konzentrieren.»

Aus der US-Regierung wurden am letzten Mittwoch Angaben aus den Reihen der radikalislamischen Taliban über einen Abzug der Hälfte der amerikanischen Soldaten aus Afghanistan bis Ende April dementiert. «Wir haben keinem Zeitplan für eine mögliche Truppenreduzierung zugestimmt», hieß es aus dem Außenministerium in Washington. Sollten die Taliban garantieren, dass Afghanistan zukünftig nicht als Basis von Terrororganisationen genutzt werde, sei man aber bereit, Änderungen bei der Truppenpräsenz in Erwägung zu ziehen.

Die Taliban waren zuvor vorgeprescht: Der Vizeleiter des politischen Büros der Taliban in Doha, Maulawi Abdul Salam Hanafi, sagte am Rande einer Konferenz in Moskau, US-Unterhändler hätten bereits zugestimmt, die Hälfte der rund 14.000 US-Soldaten bis Ende April abzuziehen. Der Delegationsleiter der Taliban in Moskau, Scher Mohammed Abbas Stanaksai, wollte im Gegensatz zu Hanafi allerdings keine konkreten Aussagen zu dem Thema machen. Ihm zufolge soll der genaue Zeitplan bei späteren Treffen mit den Amerikanern besprochen werden.

Trump hatte kurz vor Weihnachten bereits den Abzug der derzeit noch rund 2.000 US-Soldaten aus Syrien angekündigt. Die Außenminister der Anti-IS-Koalition berieten am Mittwoch in Washington über den weiteren Kampf gegen die Terrormiliz. US-Außenminister Mike Pompeo machte dabei deutlich, dass sich die USA weiter engagieren würden.

Die Art des Einsatzes ändere sich, das bedeute aber nicht das Ende des «amerikanischen Kampfes», sagte Pompeo zum Auftakt der Konferenz. Trump hat wiederholt deutlich gemacht, dass er auch den Einsatz in Afghanistan herunterfahren oder ganz beenden möchte. Der Afghanistan-Konflikt ist der längste Krieg, in den die USA jemals verwickelt gewesen sind. Trump sagte in seiner Rede: «Wir wissen nicht, ob wir eine Einigung erzielen werden - aber wir wissen, dass nach zwei Jahrzehnten Krieg die Stunde gekommen ist, sich zumindest um Frieden zu bemühen.» Auch «die andere Seite» sehe das so.

Bundesaußenminister Heiko Maas - der an der Anti-IS-Konferenz teilnahm - sagte am letzten Mittwoch in Washington, ein möglicher Abbau der US-Truppen in Afghanistan werde «ganz sicherlich Auswirkungen auch auf unser Engagement» in dem Land haben. Pompeo habe ihm zugesichert, «dass wir als der zweitgrößte Truppensteller in Afghanistan in diese Planungen sehr frühzeitig eingeweiht werden. Und da das bisher nicht der Fall ist, gehe ich auch davon aus, dass diese Planungen in der amerikanischen Regierung noch nicht abgeschlossen sind.»

Die USA haben derzeit rund 14.000 Soldaten in Afghanistan stationiert, mehr als die Hälfte davon im Rahmen der Nato-Mission «Resolute Support». Sollten die USA eines Tages abziehen, dürfte damit auch der Einsatz der Bundeswehr enden. Die Bundeswehr ist mit mehr als 1.200 Soldaten der zweitgrößte Truppensteller von «Resolute Support».

Zwar dauern die Gefechte in Afghanistan an. Nach der jüngsten Gesprächsrunde im Golfemirat Katar sprachen aber sowohl die US-Seite als auch die Taliban von Fortschritten. US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad sagte der «New York Times» vor wenigen Tagen: «Wir haben den Entwurf eines Gerüsts, das ausgestaltet werden muss, bevor es eine Einigung wird.» Nach Angaben des US-Außenministeriums sollen die Verhandlungen bald fortgesetzt werden.

Die Taliban weigern sich allerdings weiterhin, direkt mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie für eine Marionette des Westens halten. Das US-Außenministerium nannte einen solchen innerafghanischen Dialog ebenso wie einen umfassenden Waffenstillstand integrale Teile einer Verhandlungslösung.

Die Taliban fordern einen Abzug aller ausländischen Truppen aus Afghanistan. Die USA verlangen eine Garantie dafür, dass danach Terrorgruppen wie Al-Qaida nicht wieder von Afghanistan aus agieren können. Die afghanische Regierung von Präsident Aschraf Ghani steht den Verhandlungen kritisch gegenüber.

Unabhängig von den Verhandlungen mit den USA kamen Vertreter der Taliban am Dienstag und Mittwoch in Moskau mit einer Delegation von rund 40 afghanischen Politikern zusammen, angeführt vom früheren afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Die Regierung Ghanis ist allerdings nicht vertreten. Das Treffen in Moskau ist der bisher signifikanteste Kontakt zwischen hochrangigen afghanischen Politikern und den Taliban seit dem Sturz ihres Regimes Ende 2001.

Die Taliban hatten in Moskau die Streichung ihrer Anhänger von Sanktionslisten, die Freilassung aller Gefangenen und die formelle Anerkennung ihres politischen Büros im Golfemirat Qatar gefordert. Sie sprachen sich unter anderem für die Errichtung eines nicht näher definierten «unabhängigen islamischen Systems» in Afghanistan aus.

In einer am vergangenen Mittwochabend veröffentlichten Abschlusserklärung bekannten sich die Seiten dazu, dass ein dauerhafter Frieden das Bestreben aller Menschen in Afghanistan sei. Die Gespräche sollten fortgesetzt werden. Ein nächstes «innenafghanisches Treffen» solle «so bald wie möglich» in Doha abgehalten werden.

Die afghanische Regierung kritisierte das Treffen in Moskau. Die Gespräche ohne die Regierung seien «Zeitverschwendung» und würden den Taliban lediglich weitere Legitimität verschaffen, schrieb der zweite Vizepräsident Sarwar Danisch am Dienstagabend auf Twitter. (dpa)