Tamilen und religiöse Minderheiten in Sri Lanka unter Druck

Präsident Rajapaksa führt Sri Lanka wieder auf einen aggressiven buddhistisch-nationalistischen Kurs. Der UN-Menschenrechtsrat kritisiert massive Menschenrechtsverletzungen an religiösen und ethnischen Minderheiten.



Colombo. Neueste Waffe im Arsenal des autoritären Präsidenten Gotabaya Rajapaksa gegen ethnische und religiöse Minderheiten ist die Erweiterung des Antiterrorgesetzes. Die vage formulierte Bestimmung ermöglicht es den Behörden, jeden ohne Gerichtsbeschluss festzunehmen und bis zu zwei Jahren zu inhaftieren, der die "ethnische oder religiöse Harmonie" stört. Die neuen Vorschriften in Sri Lanka werden die Situation für Opferfamilien des früheren Bürgerkriegs und andere Regierungskritiker, die bereits Schikanen, Einschüchterungen und Überwachung ausgesetzt sind, noch verschlimmern, meint Meenakshi Ganguly, Südasien-Expertin der Organisation Human Rights Watch (HRW).



Nach den islamistischen Terroranschlägen vom Ostersonntag 2019 auf Kirchen und Hotels in Colombo zielt die Erweiterung des Antiterrorgesetzes vor allem auf die muslimische Minderheit. Aber auch die Christen leben in Angst. "Man kann selbst nichts mehr auf Facebook schreiben. Sie können dich unter irgendeinem Vorwand einsperren", zitierte HRW einen Christen, der anonym bleiben will.



Im November 2019 gewann Rajapaksa die Präsidentenwahl und ernannte seinen Bruder und Ex-Präsidenten Mahinda Rajapaksa zum Premierminister. Der war im Januar 2015 wenige Tage vor dem Besuch von Papst Franziskus in Sri Lanka wegen seines diktatorischen Regierungsstils abgewählt worden. Ihr Comeback verdanken die Rajapaksa-Brüder der Sehnsucht der Wähler der buddhistischen Mehrheitsethnie der Singhalesen nach einem starken Mann als Folge der islamistischen Terroranschläge vom Ostersonntag 2019.



Seinen "Rambo-Ruf" gewann Gotabaya Rajapaksa als Verteidigungsminister unter der Präsidentschaft seines Bruders Mahinda, als er 2009 den Bürgerkrieg zwischen der Armee und der Rebellenmiliz der tamilischen Befreiungstiger mit einem Massaker an deren Führung beendete. Die zu rund 80 Prozent hinduistischen und zu etwa 20 Prozent katholischen Tamilen im Norden und Osten Sri Lankas kämpften jahrzehntelang gegen die Unterdrückung durch die buddhistischen Singhalesen im Süden des ehemaligen Ceylon. Im Bürgerkrieg starben hunderttausende Menschen; tamilische Aktivisten, darunter auch katholische Priester, wurden willkürlich exekutiert; von Tausenden verschleppten Menschen fehlt bis heute jede Spur.



Mehr als zehn Jahre nach Ende des Bürgerkriegs ist Sri Lanka weiter denn je von einer Versöhnung entfernt. "Unter dem Deckmantel von 'Entwicklungsprojekten' wächst die von der Regierung getriebene singhalesische Kolonialisierung der tamilischen Gebiete", schreibt Anuradha Mittal, Gründerin der unabhängigen US-amerikanischen Denkfabrik "Oakland Institut" in dem Anfang März 2021 veröffentlichten Report "Sri Lanka: Ein ethnokratischer Staat".



"Den Tamilen den Zugang zu ihrem angestammten Land zu verweigern, die Namen von Dörfern zu ändern, Kirchen und Hindu-Tempel durch buddhistische Viharas (Klöster) zu ersetzen und Siegesdenkmäler zu errichten, die der singhalesischen Herrschaft gewidmet sind, ist eine konzertierte Anstrengung zur Auslöschung der tamilischen Geschichte und Kultur", schreibt Mittal.



In dieser Woche beauftragte der UN-Menschenrechtsrat das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, neue Beweise für Menschenrechtsverletzungen auf der Insel zu sammeln. Internationale Menschenrechtsorganisationen als auch Kirchenvertreter in Sri Lanka begrüßten die Entscheidung. Aber niemand gibt sich der Illusion hin, dass die Entscheidung die Rajapaksa-Brüder beeindruckt. Aus Furcht vor Repressionen durch Polizei, Armee und Geheimdienst, sagte ein katholischer Geistlicher aus Jaffna im tamilischen Norden dem asiatischen Pressedienst Ucanews (Donnerstag): "Eine Reihe von Untersuchungskommissionen der Regierungen (seit Ende des Bürgerkriegs) hatten lange Berichte vorgelegt, aber nichts ist passiert. Die Opfer sind enttäuscht und verbittert." (KNA)