Irans "cooler Blogger"

Mohammad Ali Abtahi, Leiter des "Internationalen Instituts für den Dialog der Religionen" in Teheran, war ein enger Mitarbeiter des früheren Präsidenten Khatami. Bei jungen Iranern ist der Kleriker aber vor allem als "der coole Blogger" bekannt. Mit ihm sprach Naghmeh Hosseini.

Mohammad Ali Abtahi, Leiter des "Internationalen Instituts für den Dialog der Religionen" in Teheran, war ein enger Mitarbeiter von Präsident Khatami. Bei jungen Iranern ist der Kleriker aber vor allem als der "coole Blogger" bekannt. Er war einer der ersten Blogger im Iran und schreibt seit fünf Jahren Tag für Tag. Sein Blog zählt täglich etwa 30.000 Besucher. Mit Abtahi hat sich Naghmeh Hosseini in Teheran unterhalten.

Mohammad Ali Abtahi; Foto: AP
Abtahi: "Für Länder mit ideologischen Herrschaftssystemen bedeutet das Internet eine große Veränderung. Die Herrscher in diesen Ländern haben versucht, sich dagegen zu wehren, aber die Welle war zu gewaltig!"

​​Warum sind Sie Webblogger geworden?

Mohammad Ali Abtahi: Es gab viele Dinge, was ich als Person zu sagen hatte, nicht als Politiker oder Kleriker. Viele waren damals dagegen. Die Konservativen meinten, ein Webblog sei unter der Würde eines Staatsmannes, noch dazu eines Klerikers. Ich habe aber nicht aufgehört zu schreiben, bis alle sich daran gewöhnt haben. Mein Weblog wurde dann zu einem Forum der Reformer.

Über welche Themen schreiben Sie – und wie schaffen Sie es als Kleriker, so viele jugendliche Anhänger zu gewinnen?

Abtahi: Ich schreibe hauptsächlich über politische Themen aus reformistischer Perspektive, aber auch über gesellschaftliche Themen, die die iranischen Jugendlichen interessieren und beschäftigen. Vielleicht habe ich deshalb so viele junge Anhänger, weil ich sie verstehe, ihnen zuhöre – und auf einer Augenhöhe mit ihnen spreche. Das Wichtigste aber ist, dass ich mich durch die Technologie an sie wende, die sie sich aneignet haben.

Welche Rolle spielt das Internet im Iran? Kann es zur politischen und gesellschaftlichen Liberalisierung beitragen?

Abtahi: Nach der iranischen Verfassung, die vor 30 Jahren geschrieben wurde, sind privater Rundfunk und Privatfernsehen nicht erlaubt. Man wollte damals, dass alles aus der Perspektive der staatlichen Medien gesehen und gehört wird. In den letzten 15 Jahren hat sich vieles in der Welt verändert, und diese Veränderungen haben auch den Iran erreicht. In der Ära der politischen Reformer im Iran (1997 bis 2005, Anm. d. Red.) war uns klar, dass sich die Zivilgesellschaft erst dann entwickelt, wenn die Kommunikation zwischen den Bürgern und Staatsvertretern gut funktioniert. Wir wussten auch, dass das Internet uns dabei hilft, ein Teil der Weltgemeinschaft zu werden.

Warum gibt es im Iran eine so große Zahl an Bloggern?

Abtahi: Vor zehn Jahren, als das Internet für die Jugendlichen im Iran zugänglich wurde, wurde es nicht zur Unterhaltung genutzt. Für eine große Zahl der Jugendlichen war und ist es ein Instrument, mit dem sie ihre politische und persönliche Meinung äußern. Dies lag daran, dass eben andere private Medien im Lande fehlen. Aber es lag auch am gesellschaftlichen Druck, der auf den Jugendlichen lastet – vor allem, was ihr Privatleben betraf.

Wie hat die Regierung auf die Aktivität der Blogger reagiert?

Abtahi: Zuerst hatten die Weblogger nicht die Zustimmung der Regierung, aber ihre wachsende

Mohammad Ali Abtahi und Mohammad Khatami während einer Parlamentssitzung in Teheran 2004; Foto:AP
Mohammad Ali Abtahi (links im Bild) war unter dem reformorientierten Präsidenten Mohammad Khatami Vize-Präsident der Islamischen Republik.

​​Zahl zwang die Regierung, sie zu akzeptieren. Die iranischen Blogger beeinflussen heute Entscheidungen der Politiker, denn sie verfolgen genau, was sie tun. Die Blogger haben auch dafür gesorgt, dass die Kinder derer, die nach der Revolution ausgewandert sind, sich nicht der persischen Sprache und Kultur entfremden.

Bloggs werden weltweit gelesen, anders als Printmedien wie Zeitungen. Können sie auch die Reformen im Iran vorantreiben?

Abtahi: Für den religiösen Staat galten viele Themen als verboten, zum Beispiel Berichte über das private Leben von Sängern und Schauspielern. Die Macht der Globalisierung änderte jedoch alles. Jetzt haben die iranischen Jugendlichen Zugang zu den gleichen Informationen wie amerikanische oder japanische Jugendliche. Jetzt haben sie auch gemeinsame Werte, wie zum Beispiel Menschenrechte. Die iranischen Jugendlichen reagieren auch sensibel, wenn die Menschenrechte anderswo verletzt werden.

Nicht alle im Iran haben Zugang zum Internet. Besteht nicht die Gefahr, dass wichtige Fragen nur noch von den Jungen, Gebildeten und Wohlhabenden diskutiert werden?

Abtahi: Ja, das sehe ich in der Tat als eine Gefahr. Der Staat muss dafür sorgen, dass das Internet für noch viel mehr Leute verfügbar wird – und viel leichter. In unseren Großstädten haben wir bereits jetzt auf Grund der hohen Zahl der Internet-Cafés guten Zugang zum Internet. Ich blicke optimistisch in die Zukunft: Der Zugang zum Internet wird leichter sein als der zu Zeitungen.

Wie sehen Sie die Gefahr einer Manipulation von Nachrichten durch das Internet?

Abtahi: Die iranischen Internet-Nutzer holen sich ihre Informationen nicht nur aus einer Quelle, sondern aus mehreren – das hilft ihnen dabei, herauszufinden, was wahr ist und was falsch. Aber allgemein betrachtet: Das Internet darf nicht Bücherlesen ersetzen und Weblog kann nicht eine Nachrichten-Agentur ersetzen. Denn eine Agentur ist für die von ihr veröffentlichen Nachrichten verantwortlich.

Könnte auch die staatliche Zensur durch das Internet an Bedeutung verlieren?

Abtahi: Für Länder mit ideologisch ausgerichteten Herrschaftssystemen bedeutet das Internet eine große Veränderung. Die Herrscher in diesen Ländern haben versucht, sich dagegen zu wehren, aber die Welle war zu gewaltig – genau so, als würde man versuchen, den Lauf eines Flusses mit einem Sandsack aufzuhalten.

Bestimmt hat jeder Mensch seine eigenen Wertvorstellungen und fühlt sich besonders in moralischen Fragen für seine Kindern und seine Familie verantwortlich. Da kann man persönlich Filterung ausüben. Im Bereich der Politik aber ist es nicht möglich, denn die politischen Themen werden in einer zu gewaltigen Anzahl veröffentlicht. Und außerdem bestärkt die staatliche Filterung nur die Glaubwürdigkeit der aktiven iranischen Bloggers.

Interview: Naghmeh Hosseini

© Qantara.de 2008

Qantara.de

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Mohammad Ali Abtahis Blog (engl.)