Kopf-an-Kopf-Rennen bei Parlamentswahl in Israel erwartet

Einen Tag vor der Parlamentswahl in Israel rechnen Beobachter mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahus konservativer Likud-Partei und dem Zentrumsbündnis Blau-Weiß von Ex-Generalstabschef Benny Gantz. Umfragen sehen für beide jeweils etwa 30 der 120 Sitze in der Knesset voraus. Bei der Bildung der nächsten Regierungskoalition dürfte Netanjahu aber bessere Karten haben: Mit seiner Ankündigung zur Annexion von Teilen des Westjordanlands setzte er im Schlussspurt noch einmal massiv auf Zustimmung von Rechts.

In vier von fünf Umfragen, die am letzten Donnerstag und Freitag veröffentlicht wurden, liegen die Blau-Weißen des ehemaligen Fallschirmspringers Gantz vorne. Die große Unbekannte sind die unentschlossenen Wähler: Sie könnten das Wahlergebnis noch entscheidend beeinflussen. Einer Umfrage für die Tageszeitung "Israel Hajom" zufolge haben 35 Prozent der Befragten noch nicht entschieden, wen sie wählen wollen.

"Frühere Wahlen haben gezeigt, dass fast einer von sechs bis sieben Wählern sich erst zwei Tage vor der Wahl entscheidet", schrieb die Tageszeitung "Maariv" am Freitag. Erschwerend kommt hinzu, dass es zwischen Netanjahu und dem Politikneuling Gantz in vielen Fragen nur graduelle Unterschiede gibt.

Rund 6,3 Millionen Israelis sind am Dienstag aufgerufen, die 120 Abgeordneten der Knesset zu wählen. Von sieben Uhr morgens (Ortszeit, 06.00 Uhr MESZ) bis zehn Uhr abends sind die Wahllokale geöffnet.

Hunderte Kandidaten treten für 41 Listen und Parteien an. Doch für die 120 Sitze in der Knesset kommen nur wenige Parteien in Frage. Etwa die Hälfte wird voraussichtlich an der 3,25-Prozent-Hürde scheitern.

Nach der Wahl wird Präsident Reuven Rivlin eine oder einen Abgeordneten mit der Regierungsbildung beauftragen. Das muss nicht zwangsläufig der Vorsitzende der stärksten Partei sein. 2009 hatte Präsident Schimon Peres Netanjahu beauftragt, eine Regierungskoalition zu formen, obwohl die Kadima-Partei von Zipi Livni die meisten Sitze erreicht hatte.

Die jetzige Wahl kommt auch einem Referendum über Netanjahu gleich. Der 69-Jährige ist seit 13 Jahren an der Macht und strebt eine fünfte Amtszeit an. Sollte ihm das gelingen, könnte er Mitte Juli den Amts-Rekord von Staatsgründer David Ben-Gurion brechen.

Doch Netanjahu droht wegen verschiedener Korruptionsvorwürfe eine Anklage. Mitten im Wahlkampf kündigte Israels Generalstaatsanwalt an, den Regierungschef wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Vertrauensmissbrauchs in drei Fällen anzuklagen. Netanjahu, der schon mehrfach zu Verhören vorgeladen wurde, hatte im Dezember die eigentlich erst im November 2019 fälligen Parlamentswahlen auf April vorgezogen.

In den vergangenen Tagen rief er seine Anhänger immer wieder auf, zur Wahl zu gehen und den Sieg der Likud-Partei nicht als selbstverständlich anzusehen. Schon jetzt führt Netanjahu gemeinsam mit mehreren ultrarechten Parteien die am weitesten rechts stehende Regierung in der Geschichte Israels. Mit seiner Ankündigung vom Samstag, jüdische Siedlungsgebiete im Westjordanland zu annektieren, dürfte er bei ultrarechten Wählern und Parteien noch mehr Zuspruch finden. (AFP)