Führende Amnesty-Mitarbeiterin in Istanbul festgenommen

In Istanbul sind die örtliche Amnesty-Direktorin und andere Menschenrechtsaktivisten festgenommen worden. Unter den zehn am letzten Mittwoch Festgenommenen seien die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International, Idil Eser, sowie ein deutscher Staatsbürger, teilte die Organisation am Donnerstag in Berlin mit und verlangte die unverzügliche Freilassung. Die Grünen forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, den Fall beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan anzusprechen.

Nach Angaben von Amnesty nahm die Polizei insgesamt zehn Aktivisten bei einer Schulung in einem Hotel auf einer Insel im Marmara-Meer vor Istanbul fest. Darunter seien neben Eser sieben weitere Vertreter von Menschenrechtsgruppen sowie zwei Ausbilder. Einer der Trainer ist laut Amnesty deutscher Staatsbürger, der andere Schwede.

Der Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty äußerte sich "beunruhigt und empört" über die "grundlosen" Festnahmen. Sie seien ein "grotesker Machtmissbrauch" durch die türkischen Behörden, der die prekäre Lage von Menschenrechtsaktivisten in dem Land verdeutliche, kritisierte er und forderte die sofortige Freilassung von Eser und den Anderen.

Am 9. Juni war bereits der Amnesty-Vorsitzende in der Türkei in Untersuchungshaft genommen. Dem Anwalt Taner Kilic wird vorgeworfen, zur verbotenen Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen zu gehören, die in der Türkei für den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli 2016 verantwortlich gemacht wird. Kilic weist die Vorwürfe entschieden zurück.

Laut Amnesty wurden die Menschenrechtler am Mittwoch während einer Schulung zu digitaler Sicherheit und Informationsmanagement auf Büyükada festgenommen. Die Zeitung "Hürriyet" sprach sogar von zwölf Festnahmen, darunter der Hotelbesitzer. Wohin die Menschenrechtler gebracht wurden und was ihnen vorgeworfen wird, war zunächst nicht bekannt.

Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, die deutschen Vertretungen in der Türkei hätten "Kontakt zu den türkischen Behörden aufgenommen, um gegebenenfalls eine Bestätigung der Festnahme des deutschen Staatsangehörigen zu erhalten". In der Türkei sitzen bereits neun Deutsche oder Deutsch-Türken in Haft, darunter der Journalist Deniz Yücel.

Der Grünen-Chef Cem Özdemir forderte Merkel auf, die Festnahmen gegenüber Erdogan anzusprechen. "Ich erwarte von der Bundeskanzlerin Merkel, dass sie diesen Willkürakt beim Zusammentreffen mit Erdogan während des G20-Gipfels in Hamburg anspricht und die sofortige Freilassung aller inhaftierten Menschenrechtsaktivisten fordert", erklärte Özdemir.

Merkel will Erdogan am Donnerstagabend im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel treffen. In einem Interview mit der "Zeit" hatte er zuvor jede Kritik an der Inhaftierung von Journalisten zurückgewiesen und Unverständnis über die Aufmerksamkeit geäußert, die der Fall des "Welt"-Korrespondenten Yücel in Deutschland erregt.

Nachdem die Bundesregierung ihm einen Auftritt untersagt hatte, sagte Erdogan, "Deutschland begeht Selbstmord", wenn es ihm nicht erlaube, zu seinen türkischen Landsleuten zu sprechen. In der Türkei fand das Interview große Aufmerksamkeit, und die Äußerung zum "Selbstmord" wurde von fast allen Tageszeitungen auf der Titelseite gebracht. (AFP)