Der Terror von Manchester - Anschlag auf Teenager

Wieder Terror. Exakt zwei Monate nach der Attacke nahe dem Londoner Parlament erschüttert ein verheerender Anschlag die Stadt Manchester. Die Bluttat sticht auf düstere Weise heraus. Wie geht das Land in unruhiger Zeit damit um? Von Silvia Kusidlo und Christiane Jacke

Kinder und Jugendliche als Terrorziel. Ein Bombenanschlag auf ein fröhliches Popkonzert mit lauter Teenagern im Publikum. Das hat eine neue Qualität in Europa, das viel unter dem Terror in den vergangenen Monaten und Jahren gelitten hat. Auch Großbritannien hat es schon mehrmals getroffen. Aber diese Attacke sticht heraus. Und sie trifft die Briten in einer schwierigen Zeit.

Als sich am späten Montagabend ein Attentäter in der Manchester Arena in die Luft sprengt, reißt er mindestens 22 Menschen mit in den Tod und verletzt Dutzende weitere. Unter den Opfern sind viele Kinder und Jugendliche, die zum Konzert des Teenie-Idols Ariana Grande gekommen sind. Ein Mädchen, das bei der Attacke stirbt, ist erst acht Jahre alt. Körper liegen regungslos auf dem Boden, blutüberströmt. Auf der Flucht zu den Ausgängen werden Konzertbesucher niedergetrampelt. Kinder schreien in Panik.

Am Morgen danach tritt Premierministerin Theresa May in London vor ihrem Dienstsitz Downing Street No. 10 vor die Kameras und spricht von einer barbarischen Tat. Von einer besonders widerwärtigen Attacke, weil sie auf wehrlose junge Menschen gezielt habe. «Alle Terrortaten sind feige Angriffe auf unschuldige Menschen», sagt sie. «Aber dieser Angriff sticht heraus wegen seiner abstoßenden, abscheulichen Feigheit.»

Auch in Paris richteten Terroristen schon mal ein Blutbad bei einem Konzert an: im November 2015 im Bataclan. Der Angriff auf feiernde, ausgelassene Menschen ist ein wiederkehrendes Muster. Diesmal sind die Opfer besonders jung. Die Gefahr von Anschlägen auch auf Ziele wie Konzerte sei hoch, sagt der Terrorexperte Peter Neumann. «Im Prinzip ist kein Ziel für den IS nicht akzeptabel.»

Der Islamische Staat (IS) behauptet, für den Anschlag in Manchester verantwortlich zu sein. Ob die Terrormiliz tatsächlich dahinter steckt, ist zunächst offen. Wie so oft, bleibt die Erklärung vage. Dass es aber ein Terrorakt war, daran gebe es keinen Zweifel, sagt May. Nach der Sitzung des Sicherheitskabinetts eilt sie nach Manchester, besucht die Polizeizentrale und ein Kinderkrankenhaus.

Die Polizei nimmt derweil die Spur des Täters auf. An mehreren Orten in Manchester kommt es zu Durchsuchungen. Ein 23-Jähriger wird festgenommen. In einem Stadtteil durchsuchen Einsatzkräfte ein Haus, sprengen die Eingangstür. Später stellt sich heraus, dass es das Zuhause des mutmaßlichen Attentäters gewesen sein soll: Salman Abedi. Die Polizei bestätigt nur den Namen des Hauptverdächtigen. In britischen Medien tauchen aber schnell erste Details zu dem Mann auf.

Er soll 1994 in Manchester geboren sein, Sohn libyscher Flüchtlinge, eines von vier Geschwistern. Und das Gerücht geht um, die Familie sei kürzlich wieder nach Libyen zurückgekehrt - bis auf zwei Söhne. Aber Fragen über Fragen bleiben: Hat der Mann allein gehandelt, oder war er Teil eines Netzwerks? Was ist mit dem Festgenommenen? War der IS tatsächlich eingebunden? Und woher kam der große Hass dieses Salman Abedi - wenn er denn tatsächlich der Täter war?

Die Attacke ereilt Großbritannien exakt zwei Monate nach dem Anschlag in der Nähe des Londoner Parlaments. Ein Attentäter steuerte im März ein Auto absichtlich auf einer Themse-Brücke in Fußgänger und erstach dann einen Polizisten. Er war schon zuvor als gewaltbereiter Extremist aufgefallen und zum Islam konvertiert. Die blutige Bilanz: sechs Tote und Dutzende Verletzte.

Die Erinnerungen an diese Attacke sind noch frisch. Verwelkte Blumen hier und dort nahe dem Londoner Parlament verweisen noch immer auf den schrecklichen Tag im März. Der Manchester-Anschlag fällt auch genau auf den vierten Jahrestag der Ermordung des britischen Soldaten Lee Rigby in London. Der damals 25-Jährige wurde am 22. Mai 2013 vor seiner Kaserne mit einem Auto angefahren und mit Messern und einem Fleischerbeil getötet. Die Täter wollten damals Rache nehmen für Muslime, die angeblich von der britischen Armee getötet wurden.

Einen besonders schweren Anschlag erlebte Großbritannien im Juli 2005. Damals zündeten vier Muslime mit britischem Pass in der Londoner U-Bahn und in einem Bus Sprengsätze. 56 Menschen starben, etwa 700 wurden verletzt. Und nun Manchester.

Die Briten haben schon oft bewiesen, dass sie gefasst mit Terror umgehen. Dass sie Haltung bewahren, sich keiner Hysterie hingeben. Das zeigt sich auch am Tag danach in Manchester und London. Von Angst oder Panik ist hier nichts zu spüren - nur von Traurigkeit.

Das Vereinigte Königreich hatte in letzter Zeit ganz andere Sorgen. Der Brexit treibt die Menschen um - und die große Schere zwischen Arm und Reich. Es sind unruhige Zeiten im Vereinigten Königreich. Am 8. Juni wird Theresa May ein neues Parlament wählen lassen. Doch der Wahlkampf ist wegen des Anschlags nun vorübergehend ausgesetzt. Dass das Thema Terror kurz vor der Wahl die Debatten bestimmen dürfte, ist unwahrscheinlich. Harte politische Kämpfe zur inneren Sicherheit sind in England nicht üblich. Und aufgerüstet ist der Sicherheitsapparat schon. Doch an Aufklärung ist noch viel zu tun. (dpa)