Erdogan und sein Außenminister überziehen Niederlande mit Faschismusvorwürfen

Nach der Verhinderung von Wahlkampfauftritten türkischer Minister in Rotterdam haben der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein Außenminister die Niederlande am Wochenende mit Faschismus-Vorwürfen überzogen. "Sie sind die Nachfahren der Nazis, sie sind Faschisten", sagte Erdogan. Außenminister Mevlüt Cavusoglu legte am Sonntag bei einem Auftritt im ostfranzösischen Metz nach und bezeichnete die Niederlande als "Zentrum des Faschismus".

Cavusoglus Auftritt in Metz erfolgte vor einer Menge von rund 800 Anhängern der türkischen Regierung, die türkische Fahnen schwenkten. Erdogan dankte Paris dafür, die Einreise des Außenministers genehmigt zu haben. Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault rief die türkische Regierung vor der Veranstaltung auf, "Exzesse und Provokationen zu vermeiden".

Die niederländischen Behörden verweigerten Cavusoglu am Samstag die Einreise mit dem Flugzeug und wiesen die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya, die aus Düsseldorf mit dem Auto nach Rotterdam gekommen war, auf dem Landweg wieder Richtung Deutschland aus. In Rotterdam und Ankara gab es wütende Proteste gegen die niederländische Regierung.

Die Regierung in Den Haag erläuterte, sie habe Ankara rechtzeitig darüber informiert, dass Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder vor den Wahlen in den Niederlanden am kommenden Mittwoch nicht erwünscht seien. Am Samstag verschärfte sich der Konflikt Schlag auf Schlag: "Ich fahre heute nach Rotterdam", sagte Cavusoglu am Morgen. Den Haag verweigerte daraufhin die Landeerlaubnis für die Maschine Cavusoglus.

Familienministerin Kaya versuchte am Abend, in das türkische Konsulat in Rotterdam zu gelangen. "Wir wurden 30 Meter vor unserem Konsulat aufgehalten", sagte Kaya. Die niederländische Regierung verurteilte Kayas Einreise als "unverantwortlich", die Ministerin klagte nach ihrer Rückkehr in Istanbul über eine "hässliche" und "grobe" Behandlung. Eine Demonstration vor dem türkischen Konsulat in Rotterdam mit rund tausend Teilnehmern wurde mit Wasserwerfern und berittenen Polizisten aufgelöst.

"Der Westen hat in den vergangenen Tagen sein wahres Gesicht gezeigt", sagte Erdogan. "Was wir erleben, ist eine klare Demonstration von Islamfeindlichkeit." Er kündigte an, selbst in die EU kommen zu wollen: "Ich kann in jedes Land reisen, wenn ich einen Diplomatenpass habe."

In Düsseldorf demonstrierten in der Nacht bis zu 250 Türken vor dem niederländischen Generalkonsulat gegen die Verhinderung der Ministerreisen. Zwischenfälle gab es laut Polizei nicht.

Vor dem Konsulat in Istanbul versammelten sich rund tausend Erdogan-Anhänger. Ein Mann kletterte auf das Dach des Konsulats und ersetzte die niederländische durch eine türkische Flagge. Später wurde diese Flagge wieder eingeholt. Gegen das Botschaftsgebäude in Ankara wurden Eier und Orangen geschleudert.

Erdogan erhob bei Auftritten in Istanbul am Samstag und Sonntag Nazi- und Faschismus-Vorwürfe gegen die Niederlande, wie er sie zuvor schon auf Deutschland bezogen hatte. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte wies die Nazi-Vergleiche als "verrückt" und "unangebracht" zurück. Er bezeichnete die Verhinderung der Ministerauftritte als richtig.

In den Niederlanden stehen am Mittwoch Parlamentswahlen an, im Wahlkampf spielt der Umgang mit dem Islam und islamischen Staaten eine wichtige Rolle. Türkische Politiker werben derzeit mit Auftritten in verschiedenen Ländern bei ihren Landsleuten, die in Westeuropa leben, für die Annahme der Verfassungsänderung, mit der am 16. April die Macht Erdogans ausgeweitet werden soll.

Die dänische Regierung sagte einen für den 20. März geplanten Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim ab. Ein solcher Besuch könnte angesichts der "aktuellen Angriffe der Türkei gegen die Niederlande nicht stattfinden", erklärte Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen. Die dänische Regierung verfolge "sehr besorgt" die aktuellen Entwicklungen in der Türkei. (AFP)