Bombenhagel auf Aleppo: Deutschland wirft Syrien «Barbarei» vor

Seit Tagen erlebt die nordsyrische Stadt Aleppo die schwersten Bombenangriffe seit Beginn des Bürgerkriegs. Aktivisten beschreiben die Lage als katastrophal. Ein Ende der Angriffe ist nicht in Sicht. Von Jan Kuhlmann

Nach dem bislang schwersten Bombenhagel auf die nordsyrische Stadt Aleppo hat die Bundesregierung dem Regime in Damaskus «Barbarei» vorgeworfen. Regierungssprecher Steffen Seibert forderte Syriens Verbündeten Russland zugleich eindringlich auf, sich für ein Ende des Bürgerkrieges einzusetzen.

Kampfjets flogen am Montag erneut Dutzende Luftangriffe in Aleppo und anderen Teilen des Landes. Dabei wurden mindestens drei Zivilisten getötet, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte.

Einwohner aus Aleppos Rebellengebieten berichteten über eine größere Anzahl Opfer. «Die Angriffe haben am Montag jedes einzelne Viertel im Osten Aleppos getroffen», sagte der Aktivist Baha al-Halabi. «Die Situation ist katastrophal.» Den Menschenrechtsbeobachtern zufolge musste eine Klinik nach Luftangriffen in der Gegend ihre Arbeit einstellen. Die Hilfsorganisation UOSSM erklärte, Patienten müssten in überfüllten Krankenhäusern im Osten Aleppos auf dem Fußboden operiert werden. Viele Ärzte hätten seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen.

Kampfjets hatten in den vergangenen Tagen die bislang schwersten Angriffe auf Aleppos Rebellengebiete geflogen. In der nordsyrischen Stadt und ihrem Umland wurden mehr als 230 Zivilisten getötet. Aleppo gehört zu den umkämpftesten Gebieten des Bürgerkriegs. Anhänger der Regierung beherrschen den Westen der Stadt, Rebellen den Osten. Dieser Teil Aleppos ist seit Wochen von der Außenwelt abgeschnitten.

«Wir erwarten von russischer Seite mit Blick auf eine Einstellung der Kampfhandlungen endlich Bewegung», sagte Regierungssprecher Seibert in Berlin. «Worte allein helfen den Menschen in Aleppo nicht.» Moskau sei angesichts seiner substanziellen militärischen Unterstützung des syrischen Regimes in der Verantwortung. Das «barbarische Vorgehen» der Regierung stelle eine eklatante Verletzung des Völkerrechts dar, sagte Seibert. Die Bundesregierung könne sich einer entsprechenden Einschätzung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nur anschließen.

Trotz andauernder Gewalt hält Russland die Friedensbemühungen für Syrien vorerst nicht für gescheitert. Die USA erweckten jedoch den Eindruck, dass sie ihren Verpflichtungen nicht gerecht werden, kritisierte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. «Ich kann ihnen nicht zu 100 Prozent trauen», sagte er dem Sender NTW.

Westliche Regierungen und Russland hatten sich zuvor gegenseitig für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht. Bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats am Sonntag warf Frankreichs UN-Botschafter Francois Delattre der Regierung in Moskau vor, mit ihrer Unterstützung von Präsident Baschar al-Assad die Bemühungen um eine Waffenruhe zu unterlaufen. Sein russischer Kollege Witali Tschurkin wies das zurück. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon sprach von «Kriegsverbrechen» in Aleppo. 

«Was Russland fördert und unterstützt, ist nicht Terrorbekämpfung, es ist Barbarei», sagte die US-Botschafterin bei den UN, Samantha Power. Statt nach Frieden zu streben, führten «Russland und Assad» Krieg. Der UN-Syrienbeauftragte Staffan de Mistura schilderte in bewegenden Worten die Lage im Ostteil Aleppos. «Wir hörten die Worte «nie da gewesen» sowohl bei der Anzahl als auch bei dem Umfang und Typ der Bombenangriffe», hieß es in einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat.

Von bunkerbrechenden Bomben sei die Rede, es gebe Bilder von Erdkratern, die viel größer als bei früheren Bombenangriffen seien. «Zivilisten überall in der Stadt müssen sich fragen, wo auf Erden sie in dieser gequälten Stadt noch sicher sein können.»

Hilfsorganisationen entluden unterdessen Konvois für Notleidende in den von Regierungstruppen belagerten Orten Madaja und Sabadani sowie in den Orten Fua und Kefraja, die von Rebellen abgeriegelt werden. Lastwagen hätten Nahrung und andere Hilfsgüter für rund 60.000 Menschen geliefert, teilte die Hilfsorganisation Syrisch-Arabischer Roter Halbmond mit. Nach Angaben des Welternährungsprogramms WFP sind es die ersten Hilfskonvois für diese Orte seit April. (dpa)

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