Jenseits der Burka-Debatte - Seit zehn Jahren verhandelt die Islamkonferenz die Integration von Muslimen

Vor zehn Jahren wagte der damalige Innenminister Schäuble ein Experiment, das ihm heute viele danken. Er gründete die Deutsche Islamkonferenz - ein bis dahin ungekanntes Forum zwischen Staat und einer Religion. Am Dienstag wird sie zehn Jahre alt. Von Corinna Buschow

Am Anfang polarisierte eine Oper. Wenige Tage bevor am 27. September 2006 die erste Deutsche Islamkonferenz in Berlin zusammenkam, setzte die Deutsche Oper eine Inszenierung der Mozart-Oper «Idomeneo» aus Angst vor Islamisten ab. Die Entscheidung des Berliner Innensenats überschattete das historische Treffen zwischen Islam- und Staatsvertretern und nährte den Verdacht gegen Muslime.

Auch heute spalten Symbole das Verhältnis der Mehrheitsgesellschaft zum Islam. Im Sommer ging es um die Burka und von Imamen verweigerte Handschläge. Die seit inzwischen zehn Jahren bestehende Islamkonferenz hat aber auch dafür gesorgt, dass viel Normalität eingekehrt ist.

Ins Leben gerufen wurde das Gremium 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Er wollte einen institutionalisierten Dialog mit den in Deutschland lebenden Muslimen. Der Islam sei ein Teil Deutschlands, sagte er damals – eine Aussage, die vier Jahre später durch den Satz «Der Islam gehört zu Deutschland» des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff für heftige Debatten sorgte. Die Normalität, die Schäuble bereits damals annahm, war in den deutschen Institutionen aber längst nicht angekommen: Anders als bei den Kirchen gab es keinen islamischen Religionsunterricht, keine Ausbildung für Imame, keine Seelsorger in Gefängnissen oder Krankenhäusern.

All das ist bis heute Gegenstand der Islamkonferenz, vieles hat sie in zehn Jahren erreicht: In einigen Ländern gibt es den Religionsunterricht an Schulen, an fünf Universitäten wird islamische Theologie gelehrt. Muslime sitzen in den ersten Gremien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten. Bremen und Hamburg haben sogar Staatsverträge mit muslimischen Verbänden geschlossen, in denen es unter anderem um Bestattungsregeln, Feiertage oder das Recht geht, Moscheen zu bauen.

Diese Erfolge sind nicht selbstverständlich, blickt man in die hitzigen Debatten der ersten Jahre der Islamkonferenz zurück. Schäuble und vor allem sein Nachfolger Hans-Peter Friedrich (CSU) rückten Sicherheitsaspekte in den Mittelpunkt der Beratungen. Immer wieder ging es um die Frage, ob die Muslime im Land die Werte des Grundgesetzes teilen. «Es gab ein Wir und ein Ihr. Es wurde nicht auf gleicher Augenhöhe miteinander geredet», sagt der Sprecher des Türkei-nahen Islamverbands Ditib, Zekeriya Altug.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stellte die festgefahrene Islamkonferenz 2014 neu auf, um Vertrauen zu gewinnen. Gemeinsam mit den Verbänden legte er Schwerpunktthemen fest. Verhandelt wird seitdem weniger öffentlich, sondern vor allem in Arbeitsgruppen - in sachlicher und guter Atmosphäre, wie viele Teilnehmer bestätigen. «Es ist wichtig, konkrete Fragen zu stellen», sagt der Rechts- und Islamwissenschaftler Mathias Rohe. «Das Diskussionsnirvana darüber, ob der Islam mit unseren Werten vereinbar ist, ist so unpräzise, dass man als schlichtes Juristengemüt nicht mitkommt», sagt er.

Seelsorge und Wohlfahrt sind die aktuellen Themen der Konferenz. Anfangs träumten die Verbände von einem Sozialverband ähnlich denen der Kirchen, Diakonie und Caritas. Der ist zwar weiterhin nicht in Sicht. In Bremen haben Muslimverbände aber eine Landesorganisation angekündigt.

Zunehmend kommt der Islam damit im deutschen Alltag an, auch wenn die Verbände noch nicht als Religionsgemeinschaften anerkannt sind. Das liegt vor allem an der unklaren Struktur der Organisationen. «Der Islam kennt keine Registrierung von Gläubigen», erklärt Altug. «Eine Moschee darf niemandem eine Dienstleistung verweigern, weil er nicht Mitglied ist oder sich registrieren lässt», sagt er. Der Staat will aber möglichst genau wissen, mit wem er kooperiert. Deswegen hat Ditib als einer der großen Verbände Gemeinderegister eingeführt, in denen sich Gläubige auf freiwilliger Basis registrieren können.

«Und dann stellt sich bei einigen die Frage der Rechtstreue oder ob es einen ungebührlichen Einfluss eines ausländischen Staates gibt», sagt Jurist Rohe, der bereits Mitglied der Islamkonferenz in der ersten Phase war. Besonders der eng mit der türkischen Religionsbehörde kooperierende Verband Ditib wird nach dem Putschversuch in der Türkei kritisch beäugt.

Die Erfolge der Islamkonferenz wollen die Teilnehmer dennoch nicht kleinreden. «Die Erkenntnis, dass wir ein Land sind, in dem der Islam dazugehört, ist ein Erfolg der Islamkonferenz», sagt Altug. Rohe sagt: «Ihr größter Erfolg ist, dass es sie gibt.» Die Konferenz habe islamisches Leben in Deutschland oben auf die politische Agenda gebracht. «Das ist nicht selbstverständlich in Zeiten von Finanzkrise und Brexit», sagte Rohe. (epd)

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