Zwei Monate nach dem Anschlag von Dhaka: Die Angst bleibt in Bangladesch

Anfang Juli stürmten Bewaffnete ein Café in Dhaka und brachten 22 Menschen um. Eine neue Dimension des Terrors für das Land in Südasien. Nachwirkungen sind noch immer spürbar - auch für die Deutschen vor Ort. Von Stefan Mauer

Der Blick auf die Holey Artisan Bakery ist noch immer gespenstisch. Geborstene Scheiben, herumliegende Möbelstücke, eine beschädigte Gartenbegrenzung. Gleichzeitig stehen in den Regalen Tassen und Teller, fein säuberlich aufgereiht, als seien sie erst gestern dort gestapelt worden. Gut zwei Monate zuvor war das Café im Herzen des Diplomatenviertels der Hauptstadt Dhaka Schauplatz eines der brutalsten Terroranschläge in der jüngeren Geschichte Bangladeschs. Ein Besuch vor Ort zeigt: Die Stadt hat gerade erst damit begonnen, ihn zu verarbeiten.

Als am Abend des 1. Juli sieben Bewaffnete das Café stürmten, war gerade Essenszeit in der Sechs-Millionen-Metropole. Rund 40 Menschen hielten sich dort auf. Bis zu diesem Tag war die Holey Artisan Bakery einer der beliebtesten Anlaufpunkte für Ausländer in Gulshan – dem Viertel, in dem die meisten Botschaften stehen und in dem auch ein Großteil der Ausländer in Dhaka lebt. Bis zum nächsten Morgen belagerten Sicherheitskräfte das Lokal, bis schließlich der Befehl zur Erstürmung kam. Die blutige Bilanz: 20 Gäste, zwei Polizisten und sechs der Geiselnehmer waren tot.

Zwei Monate später: Im Saltz, einem modern eingerichteten Fischrestaurant gleich gegenüber der deutschen Botschaft, sind gerade einmal zehn Leute anzutreffen: Zwei Wachleute, sechs Kellner und zwei Gäste. «Dutzende Restaurants haben geschlossen, andere haben ihre ausländischen Chefkochs verloren», sagt der bangladeschische Unternehmer Nashir Mia, der mehrere Textilfabriken betreibt.

Insbesondere die bei Ausländern beliebten Anlaufstellen haben geschlossen oder sind verwaist. Auch das Goethe-Institut hat seine Kulturveranstaltungen vorerst gestoppt, ebenso wie die Kulturinstitute vieler anderer Länder.

Viele Familien der entsandten Arbeiter und Diplomaten befanden sich zur Zeit des Anschlags im Sommerurlaub oder traten ihn kurz danach an. Viele von ihnen werden wohl nicht zurückkehren. Die deutsche Botschaft hat ebenso wie einige andere im Land die Sicherheitsstufe erhöht. Familien der Mitarbeiter können auf Staatskosten ausreisen. Auch Touristen warnt das Auswärtige Amt immer noch vor einem erhöhten Risiko und empfiehlt, Menschenmengen und von Ausländern häufig frequentierte Treffpunkte zu meiden.

Für die Regierung ist es deshalb umso wichtiger, weitere Anschläge um jeden Preis zu vermeiden. Die Polizei- und Militärpräsenz in der Hauptstadt hat spürbar zugenommen, an vielen Zufahrten zu sensiblen Orten wie dem Flughafen stehen Straßensperren. «Dhaka ist sicher», sagt Innenminister Asaduzzaman Khan Kamal. «Die meisten Terroristen, die hinter dem Anschlag steckten, haben wir bereits gefasst.»

Tatsächlich meldeten die Behörden zuletzt größere Erfolge. Am 27. August töteten Sicherheitskräfte bei einer Razzia nahe Dhaka drei Verdächtige, darunter den mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge, einen Kanadier bangladeschischer Herkunft. Am 2. September dann teilten die Sicherheitskräfte mit, sie hätten den mutmaßlichen Ausbilder der Angreifer, bekannt als Major Murad, erschossen.

Doch gegen die gesteigerte Angst können auch diese Erfolge nur wenig ausrichten. Denn Bangladesch hat spätestens seit Anfang 2013 ein Gewaltproblem. In mehr als 50 Fällen brachten seitdem meist unbekannte Täter Religionskritiker, Intellektuelle und Angehörige religiöser Minderheiten um. Zu vielen der Anschläge bekannten sich die Terrororganisationen Islamischer Staat (IS) oder Al-Qaida. Die Regierung bestreitet jedoch jede systematische Präsenz der beiden Organisationen im Land und verweist auf einheimische Täter.

Hinter der Theorie der einheimischen Täter steht nicht zuletzt der politische Dauerkonflikt zwischen der aktuellen Regierung und der größten Oppositionspartei Bangladesh National Party (BNP). Die BNP trat bei den jüngsten Wahlen im Jahr 2014 nicht an, weil sie der Regierung Wahlmanipulation und Polizeigewalt vorwarf. Die Regierungspartei Bangladesh Awami League spricht seitdem nicht mehr mit der BNP, bezichtigt sie stattdessen, die Anschläge zu unterstützen, um dem Ruf der Regierung zu schaden. «So lange sich das politische Klima im Land nicht bessert, wird die Angst bleiben», sagt BNP-Generalsekretär Mirza Fakhrul Islam Alamgir.

Am Eingang zur Zufahrtsstraße zur Holey Artisan Bakery hängen mehrere Spruchbänder. «Wir stehen zu euch gegen Terrorismus», steht auf einem. Die meisten von ihnen sind inzwischen verwittert oder liegen halb auf dem Boden. Ein Wachmann und ein paar Jugendliche stehen davor. Ansonsten wirkt die früher so belebte Gegend wie ausgestorben. (dpa)

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