Prozess wegen Zerstörung von Kulturgut in Timbuktu eröffnet

Zum ersten Mal muss sich ein Angeklagter für die Schändung religiöser Bauten vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Er soll für die Zerstörung von Welterbe-Stätten in Mali verantwortlich sein.

Es dauerte im Sommer 2012 ein wenig, bis die Weltöffentlichkeit von der Zerstörung der Mausoleen in Timbuktu erfuhr. Der Norden Malis war wegen der Besatzung durch verschiedene islamistische Gruppierungen abgeriegelt. Nachrichten drangen nur spärlich und langsam nach außen.

Umso größer war das Entsetzen, als bekannt wurde, dass ab Ende Juni 2012 Mitglieder der Gruppe Ansar Dine (Verfechter des Glaubens) immer mehr historische Mausoleen zerstörten. Dem mutmaßlichen Drahtzieher Ahmad Al Faqi Al Mahdi wird nun ab Montag der Prozess gemacht. Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag geht davon aus, dass er für die Zerstörung von neun Mausoleen und der "heiligen Tür" der Sidi-Yahia-Moschee verantwortlich ist.

Er habe ganz bewusst "leichte Ziele mit religiösem und historischem Charakter" ausgewählt, so der Vorwurf. Ein Ziel der Verwüstungen sei gewesen, die Menschen in der Region zu schockieren. Chefanklägerin Fatou Bensouda etwa nannte die Taten "einen feigen Angriff auf Würde und Identität ganzer Bevölkerungen".

Aber der Angriff richtete sich auch gegen die Werte der westlichen Welt. Die betroffenen Bauten gehören seit 1988 zum Weltkulturerbe der Unesco. Im 15. und 16. Jahrhundert war Timbuktu, die "Stadt der 333 Heiligen", intellektuelles und religiöses Zentrum Afrikas. An einer wichtigen Salzhandelsroute entstanden dort zahlreiche Universitäten, Koranschulen, drei besonders bedeutende Moscheen und 16 Mausoleen.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden mehrere 100.000 Schriften verfasst, die sich nicht nur mit dem Islam, sondern auch mit Mathematik, Philosophie und Geschichte beschäftigen. Viele Familien haben eigene Manuskripte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Die Besatzung durch Ansar Dine brachte das kulturelle Erbe jedoch ab April 2012 in Gefahr. Ihr vorausgegangen waren eine Tuareg-Rebellion und ein Staatsstreich. Während man in der Hauptstadt Bamako mit putschenden Militärs sowie der Tuareg-Bewegung MNLA (Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawad) beschäftigt war, die kurzerhand den Norden für unabhängig erklärte, breiteten sich genau dort mehrere Islamisten-Gruppen aus.

In Timbuktu schuf Ansar Dine eine Schreckensherrschaft und versuchte, die Scharia auf grausame Weise durchzusetzen. Ein Schock für die Bevölkerung. In Mali bekennen sich zwar mehr als 90 Prozent der rund 17 Millionen Einwohner zum Islam. Doch die Auslegung galt stets als moderat und tolerant. Der ICC geht davon aus, dass der Angeklagte während der Zeit der Besatzung auch für den islamischen Gerichtshof in Timbuktu gearbeitet hat.

Allerdings wurden in dieser Zeit längst nicht im ganzen Norden Moscheen und Denkmäler zerstört. Unbeschädigt blieben diese beispielsweise in Gao, der bedeutendsten Handelsstadt in der Region. Sie war von der Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO) besetzt worden. Deren Anhänger stammten größtenteils aus subsaharischen Staaten, weniger jedoch aus Nordafrika. Zeugenberichten zufolge warfen die Islamisten den Bewohnern von Timbuktu vor, sie würden ihre Mausoleen zu sehr verehren. Das mache sie zu falschen Muslimen.

Die zerstörten Gebäude von Timbuktu sind mittlerweile wieder aufgebaut. Möglich machte das ein Sonderfonds. Frieden ist in die Region trotz mehr als 15.000 stationierten Soldaten der UN-Mission Minusma aber noch immer nicht eingekehrt. (KNA)