Globale Dimension

Am 12. Juli 2006 griffen israelische Streitkräfte den Libanon an. Den folgenden Krieg untersuchen Gilbert Achcar und Michael Warschawski in ihrem Buch "Der 33-Tage-Krieg" und warnen bereits vor einer Fortsetzung. Beate Hinrichs stellt das Buch vor.

Am 12. Juli 2006 griffen israelische Streitkräfte den Libanon an. Den folgenden "Julikrieg" oder "33-Tage-Krieg" untersucht das libanesisch-israelische Autorenpaar Gilbert Achcar und Michael Warschawski in seinem Buch "Der 33-Tage-Krieg" und warnt bereits vor einer Fortsetzung. Beate Hinrichs stellt das Buch vor.

Israelische Panzer schießen über die Grenze in den Libanon; Foto: AP
Militärisch war Israel schlecht für diesen Krieg gerüstet - Israelische Panzer schießen über die Grenze in den Libanon

​​Der israelisch-libanesische Krieg im Juli/August 2007 war nicht nur ein Krieg zwischen Israel und Libanon. Er war auch ein Stellvertreterkrieg. Die USA wollten ihren Erzfeind Iran treffen. Darum ließen sie ihren Verbündeten Israel die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon angreifen. Und dafür funktionalisierten sie auch die UNO.

Das sind die Kernthesen von Gilbert Achcar und Michael Warschawski. Der libanesische Politikwissenschaftler und der israelische Friedensaktivist aus den beiden "Feindstaaten" untersuchen gemeinsam die Ursachen und die Folgen des Feldzuges vom 12. Juli bis zum 14. August 2006 - des 33-Tage-Krieges.

Ein Land in Geiselhaft

Der Krieg war geplant. Das hat nicht nur der US-amerikanische Enthüllungsjournalist Seymour Hersh nachgewiesen, das haben auch israelische Politiker inzwischen eingestanden.

Nachdem Syrien im Frühjahr 2005 aus dem Libanon abgezogen war, wollte Washington die Hisbollah entwaffnet wissen – was die UN-Resolution 1559 auch vorsah. Aber die Macht der Hisbollah blieb unangetastet.

​​Mehr noch - im Juli 2005 gewann der antiamerikanische Hardliner Ahmadinedschad die Präsidentschaftswahlen im Iran, und im Januar 2006 die radikal-islamische Hamas die palästinensischen Parlamentswahlen. Genug politische Rückschläge für die USA, um wenigstens im Libanon "aufzuräumen".

Washington und Jerusalem warteten nur auf einen Anlass. Die Hisbollah lieferte ihn, als sie am 12. Juli 2006 zwei israelische Soldaten entführte, um sie gegen libanesische Gefangene auszutauschen. Das hatte schon früher geklappt.

Diesmal aber wurden keine Geiseln ausgetauscht, sondern ein ganzes Land in Geiselhaft genommen, um die Hisbollah zur Aufgabe zu zwingen - eine gravierende Fehleinschätzung der libanesischen Miliz.

Krieg auf Kosten der israelischen Bürger

Dem gegenüber stand jedoch eine noch größere Fehleinschätzung der israelischen Regierung. Denn die libanesische Bevölkerung ließ sich nicht gegen die Hisbollah aufwiegeln - der Krieg hat weder die Hisbollah geschwächt (geschweige denn entwaffnet) noch die beiden entführten israelischen Soldaten befreit.

Darauf war die israelische Führung völlig unvorbereitet. Ihre "koloniale Arroganz" und "rassistische Verachtung der Araber", so Achcar und Warschawski, hatte sie dazu verleitet, sich dem Feind überlegen zu fühlen, ohne ihn zu kennen oder zu verstehen - ein typischer Fehler jeder Kolonialmacht, die den Militärs das Feld überlässt.

Michael Warschawski; Foto: Edition Nautilus
Michael Warschawski

​​Aber selbst militärisch war Israel schlecht für diesen Krieg gerüstet. Seine Soldaten waren nur "einseitige Repressionen" gegen Palästinenser in den besetzten Gebieten gewöhnt und standen nun gut trainierten Kämpfern gegenüber.

In entsprechend miserablem Zustand befanden sich Zivilschutzanlagen und Versorgungseinrichtungen für die israelische Bevölkerung. Israel hat diesen Krieg auch auf Kosten seiner eigenen Bürger geführt.

Instrumentalisierung der UNO

Warum haben Israelis dann nicht massenhaft gegen den Feldzug protestiert? Weil er ihnen als "Selbstverteidigungskrieg" verkauft wurde, der in den globalen Kampf gegen den militanten Islam eingebunden war, schreiben die Autoren.

In diesen "globalen Feldzug" wurde auch die UNO eingespannt. Die USA blockierten im UN-Sicherheitsrat drei Wochen lang jede Diskussion über eine Waffenstillstandsresolution - "um Israel mehr Zeit zu lassen", stellen die Autoren fest und resümieren: "einer der schlimmsten Fälle von Lähmung dieser zwischenstaatlichen Institution in den sechs Jahrzehnten ihres Bestehens".

Die Resolution 1701, die am 11. August 2006 den Waffenstillstand forderte, geriet entsprechend einseitig: Sie sieht unter anderem die Stationierung weiterer internationaler Truppen auf dem Gebiet des besetzten Landes vor. "Insgesamt ist die Resolution so verfasst, als wäre der Libanon der Aggressor!"

Gilbert Achcar; Foto: Edition Nautilus
Gilbert Achcar

​​Hier sehen Achcar und Warschawski die wahrhaft globale Dimension dieses Krieges, die weit über den Nahen Osten hinausweist: "Die UNO wird als Feigenblatt für Militäroperationen eingesetzt, die Washington mit der NATO und anderen Verbündeten durchführt, wie dies seit Dezember 2001 in Afghanistan der Fall ist."

Die Darstellung des libanesisch-israelischen Autorenduos ist keine detaillierte Aufzeichnung des Kriegsverlaufs, sondern eine umfassende und erhellende Analyse der politischen Strukturen.

Weil diese Strukturen weiter bestehen, weist das Buch über den 33-Tage-Krieg hinaus: Der Libanon sei zum uneingestandenen Vietnam Israels geworden, konstatieren Achcar und Warschawski. Und sie warnen, Washington und Jerusalem rüsteten schon für die zweite Runde.

Beate Hinrichs

© Qantara.de 2007

Gilbert Achcar / Michael Warschawski: Der 33-Tage-Krieg. Israels Krieg gegen die Hisbollah im Libanon und seine Folgen. Aus dem Französischen übersetzt von Birgit Althaler. Hamburg: Edition Nautilus, April 2007. 96 Seiten. Broschur. 10,90 Euro.

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