Kommunikation zwischen zwei Generationen

Christoph Peters hat mit "Ein Zimmer im Haus des Krieges" einen Roman geschrieben, in dem er die Auswüchse des aufklärerischen Denkens denen des Islamismus gegenüberstellt. Daniele Raffaele Gambone hat das Buch gelesen.

Panoramafoto von Kairo; Foto: dpa
Man spürt Seite für Seite, wie gut Peters mit Ägypten, dem Koran und den Standpunkten der islamischen Welt vertraut ist, schreibt Daniele Raffaele Gambone

​​Als Ägypten 1993 durch eine Serie von Attentaten auf Staatsvertreter und Touristen in seinen politischen und wirtschaftlichen Grundfesten erschüttert wird, sieht ein Kommando islamistischer Terroristen die Zeit für den entscheidenden Schlag gegen die Regierung Mubarak gekommen.

Jochen Sawatzky, ein deutscher Ex-Junkie, hat nach seiner Konversion zum Islam den Namen Abdallah angenommen und ist bereit, seiner Überzeugung Menschenleben - auch das eigene - zu opfern. Er hat sich dem Unterfangen angeschlossen. Doch der Plan, einen Anschlag auf die Besucher der Tempelanlagen von Luxor zu verüben, geht nicht auf.

Von einem Mitglied verraten, gerät die Gruppe in einen gut organisierten Hinterhalt. Zu den wenigen, die diese Militäroperation um die Länge des vorliegenden Romans überleben, gehört auch Sawatzky. Er kommt in ein Hochsicherheitsgefängnis, wird dort gefoltert und wartet auf seine Hinrichtung.

Nun ist es an Claus Cismar, Botschafter in Kairo, für den Angeklagten gegen den Widerstand der ägyptischen Behörden eine Auslieferung an Deutschland zu erwirken.

Dialog der Extreme

Das Vertrauen wächst. Es entspinnt sich zwischen dem aufgeklärten, aber merkwürdig blassen Diplomaten mit 68er-Vergangenheit und dem besessenen, aber seiner Gefährlichkeit beraubten Islamisten ein anspruchsvoller Dialog über Terrorismus, Gewalt und Religion.

Es ist die Kommunikation zwischen zwei Generationen, zwei Formen letztlich deutscher Radikalität – kurz: zweier Kulturen und ihrer extremen Auswüchse, der aufgeklärt westlichen und der traditionell islamischen. Sie treten gegeneinander an und werden aneinander gemessen. Das ist das eigentliche Kernstück des Romans und seine größte Herausforderung an den Autor.

Christoph Peters, 1966 in Kalkar am Niederrhein geboren, hat nach eigener Aussage über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren an "Ein Haus im Zimmer des Krieges" gearbeitet. Tatsächlich spürt man Seite für Seite, wie gut Peters mit Ägypten, wo er sich länger aufgehalten hat, dem Koran und den Standpunkten der islamischen Welt, von moderat bis radikal, vertraut ist.

Fast beiläufig vermittelt er sein detailliertes Wissen über die Religion und reichert seine Ausführungen mit Zitaten aus dem Koran an, was an keiner Stelle befremdlich wirkt. Der Autor selbst spricht diesbezüglich vom "Versuch, die islamistische Position argumentativ so aufzurüsten, dass wir als Westler unsere ganze Energie aufbringen müssen, um sie zu widerlegen."

So sehr der Text davon profitiert, so sehr leidet die Glaubwürdigkeit seiner Hauptfiguren darunter. Auch weil Peters versucht, sie trotz ihrer stellvertretenden Funktion mit eigentümlichen Biografien auszustatten, ohne dass sie dadurch an Kontur gewinnen können.

Ein deutscher Herbst in Ägypten

Es bleibt nicht aus, dass sich im Fortgang der Handlung die Positionen von den Personen lösen. Claus Cismar ist der geborene Diplomat. Wahlweise kompromissfähig oder charakterlos bis zur Unkenntlichkeit der eigenen Meinung, hat er in seinem Leben bereits einiges opfern müssen:

Der Karriere die Ideale seiner Generation. Der Ehe mit seiner hübschen, aber unverständigen Frau Ines die Liebe zur ungleich anziehenderen französischen Kollegin Francoise. Schließlich dem Lebenswandel die Gesundheit, was sich in bösartigen Magenschmerzen ausdrückt.

​​Fast könnte man meinen, er wolle hinter all diese Übereinkünfte mit sich selbst zurück, aber das wäre eine Unterschätzung. Cismar ist Profi, und er setzt seine Linie fort. Nur die Parallelen zwischen der Situation 1993 in Ägypten und dem deutschen Herbst, jener Phase in der BRD des Jahres 1977, die den Höhepunkt des RAF-Terrors darstellte, bekommt er nicht aus seinem Kopf. Einmal gar wähnt er "das Botschaftsgelände bewacht wie Stammheim."

Ein deutscher Islamist

Schlimmer steht es um J. Sawatzky. Er wirkt als alleiniger Vertreter des gewaltbereiten Islamismus in punkto Glaubwürdigkeit vom Autor im Stich gelassen. Aus dem Sohn einer übergewichtigen Finanzbeamtin und eines amerikanischen Vaters, der nichts von Jochens Existenz weiß, wird ein Außenseiter mit Hang zu Esoterik und Heldenverehrung.

Er bricht das Gymnasium ab und stürzt sich, Mann geworden, in eine Drogenkarriere, die nicht ohne milieutypische Kleinkriminalität auskommt.

Zwischendurch eine Tätigkeit als V-Mann für die Kripo Koblenz, schließlich die unbeholfenen Annäherungsversuche an ein muslimisches Mädchen. Sie führen ins Umfeld einer Frankfurter Moschee. Dann ein rauschhaftes Studium der arabischen Sprache und des Korans. Fertig ist Abdallah.

Brillante Passagen

Es ist C. Peters' erzählerischer Kompetenz zu verdanken, dass man darin nicht zwangsläufig eine Schwäche sehen muss, sondern vielmehr den Anlass, die wirklich brillanten Passagen an anderer Stelle zu suchen.

Dort etwa, wo wir Cismar auf seinen Spaziergängen durch das von den Touristenströmen "befreite" Kairo begleiten oder verfolgen dürfen, wie sich nach und nach Verdacht und Verrat als Leitmotive herauskristallisieren. Verrat an den eigenen Zielen, an geliebten Menschen, an sich selbst.

Daniele Raffaele Gambone

© Qantara.de 2006

Christoph Peters: Ein Zimmer im Haus des Krieges. Roman.
Verlag btb, München 2006. 320 Seiten, 19,95 Euro.

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