Endlich Waffenruhe im Jemen - Ein Licht am Ende des Tunnels?

Sieben Jahre nach Kriegsbeginn sehen sich die Konfliktparteien im Jemen in einem Patt gefangen - und vereinbaren eine Waffenruhe. Kurz darauf wird die Regierungsspitze radikal umgebaut. Reicht die neue Dynamik für ernsthafte Verhandlungen über einen Frieden? Von Johannes Sadek, dpa



Sanaa/Riad. Fragt man Abdullah Sabir, wie die nächsten Wochen im Jemen ablaufen werden, schwankt er zwischen Hoffnung und Angst. «Obwohl wir zuversichtlich sind wegen der Waffenruhe, befürchten wir, dass sie enden wird wie die bisherigen» - in erneuter Gewalt. Der 37-Jährige war mit seiner Frau und vier Kindern aus der Hauptstadt Sanaa vor der «Unterdrückung» der Huthi-Rebellen geflohen, wie er sagt. Jetzt arbeitet er als Verkäufer in Marib. In der Provinz, über der eigentlich täglich Kampfflugzeuge donnern und Bomben fallen.



Aber seit gut zwei Wochen hat sich etwas Ruhe über Marib gelegt, und über viele der rund 50 aktiven Kampffronten im Land. Am Abend des 2. April, als Muslime den Beginn des Fastenmonats Ramadan feierten, trat im Jemen eine Waffenruhe in Kraft. Es ist die erste landesweite Feuerpause seit 2016, sie soll zunächst zwei Monate gelten. Die Gewalt ging seitdem deutlich zurück, und im Krieg, der den Jemen seit Jahren zermürbt, ist das allein eine bemerkenswerte Nachricht.

Der UN-Sonderbeauftragten Hans Grundberg spricht vom «großen Durchbruch». Die Waffenruhe bedeutet eine zumindest vorübergehende Entspannung. Das UN-Entwicklungsprogramm schätzte, dass bis Ende 2021 rund 377 000 Menschen an den Folgen des Konfliktes gestorben seien, also entweder an direkten Kriegseinwirkungen oder auch indirekten wie etwa einem Mangel an Lebensmitteln oder schlechter medizinischer Versorgung. Unglaubliche 20 der rund 30 Millionen Menschen im Jemen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.



Jetzt erlebte das Land erstmals seit sieben Jahren eine ganze Woche ohne Luftangriffe. Grund für die überraschende Feuerpause sei ein «schmerzhaftes Patt», sagt Experte Peter Salisbury von der Crisis Group. Weder für die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen noch für das von Saudi-Arabien angeführte Militärbündnis, das mit der Regierung gegen die Rebellen kämpft, sei ein entscheidender Sieg derzeit greifbar. «Beide Seiten haben das Gefühl, dass eine Pause ihnen gerade mehr nutzt als eine Fortsetzung des Status quo.»

Die zweite Überraschung folgte nur Tage später: Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi übertrug seine Macht an einen neuen Präsidialrat. Hadi, 2012 eigentlich nur für eine Übergangszeit von zwei Jahren zum Staatschef ernannt, hat sein politisches Haltbarkeitsdatum lang überschritten. Besonders beliebt war der heute 76-Jährige nie, auch wenn die Vereinten Nationen ihn anerkannten und er damit noch ein letztes Stück staatliche Legitimität verkörperte.



Der achtköpfige Rat ist nun ein Versuch, die wichtigsten Huthi-Gegner verschiedener Regionen unter einem Dach zu vereinen. Geführt wird er von dem Saudi-Arabien nahestehenden Ex-Innenminister Raschad al-Alimi. Mit dem Block soll auch das bröckelnde Bündnis mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, die an der Seite Riads kämpfen, gefestigt werden. Die wilde Zusammensetzung der Mitglieder und ihre «diametral entgegengesetzten Ansichten» ließen ihn aber wirken wie «Monster Frankenstein», meint Gregory Johnsen, der im UN-Expertengremium für den Jemen saß.



Beide Entwicklungen sind Hinweise, dass Saudi-Arabien einen Ausweg sucht aus dem international kritisierten Einsatz, aus dem die Emirate sich eigentlich schon 2019 verabschiedet hatten. Angriffe der Huthis haben auf saudischem Boden Öl-Infrastruktur beschädigt und Opfer gefordert.

Im Januar griffen sie in Abu Dhabi an, Hauptstadt der Emirate. Die Folge waren drei Tote und viele Schlagzeilen über die Attacke in einem Land, das sich als schickes Urlaubsziel und als Geschäftsstandort in Szene setzen will. Hadis Abgang erfolgte wohl kaum ohne erheblichen Druck und Anreize aus Riad.



Der Weg zu einem dauerhaften Waffenstillstand oder gar einem Frieden bleibt trotzdem sehr weit. Gut möglich, dass die Kämpfe wieder aufflammen, wenn im Hafen von Hudaida wie vereinbart einige Schiffe mit Treibstoff angelegt haben und einige kommerzielle Flüge aus Sanaa gestartet sind. Jetzt müsse das «einzigartige Potenzial» genutzt werden, sagt Grundberg, ehe er nach einem Besuch in Sanaa in einen weißen Jet mit der Aufschrift «United Nations» steigt. Seine größte Bewährungsprobe als Vermittler im Jemen steht erst noch bevor. (dpa)