Regierung Merkel genehmigte kurz vor Schluss heikle Rüstungsexporte

Drei Kriegsschiffe und 16 Luftabwehrsysteme für Ägypten: Kurz vor ihrem Abgang segnete die Regierung Merkel noch heikle Rüstungsgeschäfte ab. Vor allem die Grünen fühlen sich düpiert – und fordern Konsequenzen. Von Michael Fischer und Andreas Hoenig, dpa



Berlin. Die alte Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel hat kurz vor dem Regierungswechsel noch zwei heikle Rüstungsexporte nach Ägypten genehmigt. Das geht aus einem Schreiben des damaligen Wirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU) an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.



Danach dürfen die Rüstungsschmieden Thyssenkrupp Marine Systems und Diehl Defence drei Kriegsschiffen und 16 Luftabwehrsysteme an das mit harter Hand regierte nordafrikanische Land liefern. In der neuen Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP löste die Last-Minute-Genehmigung Verärgerung aus. Das vom Grünen-Vizekanzler Robert Habeck geführte Wirtschaftsministerium distanzierte sich von der Entscheidung. Auch aus dem Auswärtigen Amt kam Kritik. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass die neue Regierung diesen Export genehmigt hätte», sagte Staatsministerin Katja Keul (Grüne) der dpa.



Das Schreiben Altmaiers datiert vom 7. Dezember, dem Tag vor der Vereidigung des neuen Kabinetts und der Amtsübergabe von Merkel an Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt. Zuerst hatte der «Spiegel» darüber berichtet. Der Noch-Wirtschaftsminister Altmaier informiert in dem Brief über insgesamt drei Waffenausfuhren, die der Bundessicherheitsrat genehmigt habe:



- Thyssenkrupp Marine Systems darf drei Fregatten vom Typ MEKO A-200 EN an Ägypten liefern.

- Dem baden-württembergischen Unternehmen Diehl Defence wurde die Lieferung von 16 Luftverteidigungssystemen vom Typ IRIS-T SLS/SLX nach Ägypten genehmigt.

- Außerdem darf Thyssenkrupp Marine Systems ein U-Boot vom Typ 218 SG nach Singapur exportieren.  



Schon im vergangenen Jahr hatte für viel Kritik gesorgt, dass Ägypten mit Ausfuhren im Wert von 763,8 Millionen Euro auf Nummer zwei der Rüstungsexportrangliste lag. Das Land steht wegen Menschenrechtsverletzungen und der Verwicklung in die Konflikte im Jemen und in Libyen in der Kritik. Der Bundessicherheitsrat ist ein Kabinettsausschuss, dem der Kanzler oder die Kanzlerin sowie sieben Minister angehören. Dazu gehört auch der Finanzminister. In der alten Regierung war das Olaf Scholz, der heutige Bundeskanzler. Er müsste die Entscheidung also mitgetragen haben.



Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Bundestag zeitnah über Exportgenehmigungen des Bundessicherheitsrats zu informieren. Es ist deswegen davon auszugehen, dass die Regierung Merkel zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundessicherheitsrats über die heiklen Exporte nur noch geschäftsführend im Amt war. Das war seit Ende Oktober der Fall.



Seitens der CDU/CSU wurde die Exportgenehmigung damit begründet, dass Deutschland gute Beziehungen mit Ägypten habe und ein Interesse an einer Stabilisierung des Landes. Außerdem seien bereits früher Rüstungsexporte nach Ägypten genehmigt worden, darunter U-Boote.



In seinem Brief schreibt Altmaier, dass die Bundesregierung «gerne bereit» sei, die Exportentscheidung im zuständigen Bundestagsausschuss zu erläutern. Das Problem: Nur wenige Stunden später war der CDU-Politiker nicht mehr im Amt. Dass sein Nachfolger Robert Habeck die Entscheidung im Wirtschaftsausschuss vertritt, dürfte sehr fraglich sein.



Er ließ seine Sprecherin Beate Baron am Donnerstag deutlich machen, dass er mit der Genehmigung nichts zu tun haben will. «Es handelt sich um Entscheidungen der Vorgängerregierung, für die auch die Vorgängerregierung die vollständige Verantwortung trägt», erklärte Baron. Die neue Bundesregierung sehe einen restriktiveren Umgang mit Rüstungsexporten vor. Darauf verwies auch Staatsministerin Keul und forderte Konsequenzen aus den Exportgenehmigungen: «Der Vorgang zeigt, dass wir diese Passage dringend umsetzen und ein Rüstungsexportgesetz auf den Weg bringen sollten.»



Auch die Grünen-Außenpolitikerin Agnieszka Brugger pocht laut «Spiegel» auf eine «deutlich strengere Rüstungsexportpolitik, die Menschenrechten, Frieden und Sicherheit mehr Geltung verschafft». Die oppositionelle Linkspartei nahm auch die SPD in die Verantwortung. Außenpolitikerin Sevim Dagdelen sprach von einem «Schurkenstück» des heutigen Kanzlers und früheren Vizekanzlers Scholz. (dpa)