Zentralafrika, Libyen, Mali - Wagner-Aufstand zieht weite Kreise

* Russland hat mit Wagner-Söldnern zunehmend Einfluss gewonnen

* Regime nutzen in Grauzonen agierende Söldner

* Bleibt eine Art "Auslands-Wagner-Truppe"?

* "Imagesschaden für Putin ist aber groß"

* Auch deutsche Mali-Politik betroffen

Von Tiemoko Diallo, Judicael Yongo und Andreas Rinke (dpa)

Bamako/Berlin. Der Aufstand der Wagner-Miliz in Russland und ihre angekündigte Eingliederung in die russische Armee hat nicht nur Auswirkungen auf Russland und den Krieg in der Ukraine. Die Söldnertruppe ist in den vergangenen Jahren weltweit immer aktiver geworden, vor allem in Afrika.

Regierungen etwa in Mali oder der Zentralafrikanischen Republik stecken nun in einem diplomatischen Dilemma, weil sie verstärkt auf die Wagner-Söldner gesetzt haben und mit ihnen internationale Friedenstruppen verdrängen. Und damit ist auch die deutsche Außenpolitik betroffen.

Die Wagner-Truppe war oder ist in einer Vielzahl von Ländern aktiv. Dazu gehören nachgewiesenermaßen Syrien, Libyen, Mali und die Zentralafrikanische Republik. Aber auch in Venezuela, Äquatorialguinea, Simbabwe, dem Sudan und dem Kongo wird der Militärfirma auf die ein oder andere Weise eine Rolle nachgesagt - mal als kämpfende Truppe, mal als Sicherungspersonal etwa für Bergwerke oder russische Unternehmen.

Am deutlichsten war ihre Rolle zuletzt in Mali und der Zentralafrikanischen Republik, deren Regierungen bisher Kommentare zu den Entwicklungen in Russland abgelehnt haben. Beide Länder hatten sich seit Jahren um engere Beziehungen zu Russland und um militärische Unterstützung im Kampf gegen islamistische Aufständische und innenpolitische Gegner bemüht.



"(Wagners) Präsenz in Mali wird vom Kreml unterstützt, und wenn Wagner mit dem Kreml im Streit liegt, wird Mali natürlich unter den Folgen an der Sicherheitsfront leiden", sagt der malische Politologe Bassirou Doumbia.

In Mali, wo sich das Militär 2020 und 2021 an die Macht geputscht hatte, bezeichnen sich russische Militärs nach eigenen Angaben nicht als Wagner-Söldner, sondern als Ausbilder, die den einheimischen Truppen mit aus Russland gekaufter Ausrüstung helfen.

Offenbar verspricht sich Russland davon mehr Einfluss in der auch für Europa strategisch wichtigen Region - und bietet den Regierungen neben militärischer Hilfe auch weitere Unterstützung: So hatte Moskau im vergangenen Jahr Mali zugesagt, Treibstoff, Dünger und Lebensmittel im Wert von rund 100 Millionen Dollar zu liefern.

EUROPÄER WAREN AUF DEM RÜCKZUG

Der wachsende Einfluss russischer Söldner vor allem in Nordafrika und anderen ehemaligen französischen Kolonien geht auf Kosten der Europäer: Malis Militärregime vertrieb Schritt für Schritt Frankreich, Deutschland und andere Europäer aus dem Land, die bisher im Antiterrorkampf gegen Islamisten und bei der Stabilisierung des Landes geholfen hatten. Im Februar bezeichnete der französische Präsident Emmanuel Macron den Einsatz von Wagner-Truppen in Afrika als "Lebensversicherung für scheiternde Regimes in Afrika", die nur Elend säen würde.

SPD-Außenpolitiker Nils Schmid glaubt nicht, dass Moskau diesen Einfluss über die Söldner-Truppe aufgeben will. "Das Problem für Russland ist aber, dass das Image von Präsident Wladimir Putin als starker Anführer Risse bekommen hat", sagt er zu Reuters. "Es gibt einen Imageschaden für ihn im In- und Ausland."

Der Bundestag hat gerade ein Mali-Mandat beschlossen, das den Abzug der letzten Bundeswehr-Soldaten 2024 vorsieht. In der Bundesregierung gibt es seit Monaten eine Debatte, ob man sich nicht angesichts der ablehnenden Haltung der malischen Junta und der Anwesenheit von Wagner-Söldnern schneller zurückziehen sollte. Den russischen Militärs werden zusammen mit malischen Streitkräften auch Kriegsverbrechen an der Bevölkerung vorgeworfen. Die malische Regierung und Russland haben diese Anschuldigungen stets zurückgewiesen.

Was die Konsequenzen für Deutschlands Engagement sein könnten, sei jetzt noch nicht zu beantworten, heißt es in Berlin. "Die genauen Folgen für Mali wiederum hängen von weitgehend unbekannten Faktoren ab, wie zum Beispiel der organisatorischen Autonomie von Wagner und ihrer Befehlskette", sagt Yvan Guichaoua, Dozent an der Brüsseler Schule für internationale Studien.



Unklar ist etwa, ob es nach der verabredeten Eingliederung der Wagner-Söldner in die russische Armee eine Art "Auslands-Wagner-Truppe" geben wird. Denn viele Regimes setzen ganz bewusst auf das Anheuern von Söldnern, die in einer rechtlichen Grauzone agieren können. Russland hätte ein Problem, ganz offiziell russische Soldaten einzusetzen.

Je nach Entwicklung könnte es erhebliche Auswirkungen auch auf die Zentralafrikanische Republik geben. Dort unterstützen seit 2018 Hunderte russischer Agenten, darunter viele aus der Wagner-Truppe, die Regierung bei der Bekämpfung mehrerer Rebellenaufstände. Und ein Stopp der Wagner-Operationen in Afrika könnte sich auch erheblich auf Finanzströme auswirken.



Unter anderem die USA hatten den Söldnern vorgeworfen, sich an Bodenschätzen in Afrika zu bereichern. "Für Mali sehe ich deshalb auch keine Veränderungen. Wagner als russischer 'Ressourcenbeschaffungstruppe' wird da weiter am Werke sein", sagt Wolfgang Hellmich, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD zu Reuters. (Reuters)