«Tag des Widerstands» in Israel - Präsident Herzog trifft Biden

Seit Monaten wartet Israels Regierungschef Netanjahu auf eine Einladung ins Weiße Haus. Nun kommt ihm Präsident Herzog zuvor. In Washington soll auch die umstrittene Justizreform Thema sein, gegen die in Israel erneut Tausende auf die Straße gehen wollen. Von Christina Storz und Lena Klimkeit, dpa



Tel Aviv/Washington. Während eines großen Protesttags in Israel wird Präsident Izchak Herzog an diesem Dienstag in Washington von US-Präsident Joe Biden empfangen. Das Treffen wirft ein Schlaglicht auf das derzeit angespannte Verhältnis von Biden und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der seit Monaten auf seinen Antrittsbesuch im Weißen Haus wartet. Die US-Regierung stellte am Montag zwar vage eine Begegnung der beiden im Herbst in den USA in Aussicht. Zugleich brachte sie deutlich ihre Bedenken über den geplanten Umbau der israelischen Justiz und einige Mitglieder des Netanjahu-Kabinetts zum Ausdruck.



Justizreform bringt erneut Tausende auf die Straßen



Netanjahus Koalition plant seit Monaten, die unabhängige Justiz im Land gezielt zu schwächen. Sie wirft ihr zu viel Einfluss auf politische Entscheidungen vor. In der kommenden Woche soll ein wichtiger Teil der Reform zur Einschränkung des Höchsten Gerichts in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden. Kritiker sehen die Gewaltenteilung und damit die Demokratie in Gefahr. Manche warnen gar vor der schleichenden Einführung einer Diktatur.



Für Dienstag kündigte die Protestbewegung in Israel gegen den geplanten Umbau der Justiz eine «Tag des Widerstands» an. Über den Tag verteilt sollen landesweit Kundgebungen und Störaktionen stattfinden. Die Organisatoren appellieren auch an die USA, ihren Einfluss zu nutzen und die Regierung an ihren umstrittenen Plänen zu hindern. Ben Caspit von der israelischen Zeitung «Ma'ariv» beschrieb den Besuch von Herzog in den USA als eine «Rettungsmission». Die USA sind traditionell Israels engste Verbündete und unterstützen das Land jedes Jahr im Bereich Verteidigung mit Milliardensummen.



Biden will mit Herzog auch über demokratische Werte sprechen

Biden wolle bei dem Treffen mit Herzog nicht nur die Verpflichtung der USA für Israels Sicherheit bekräftigen, teilte die US-Regierung mit. Sie bestätigte, dass auch die höchst umstrittenen Reformpläne zur Sprache kommen sollen. Biden wolle über die Bedeutung gemeinsamer demokratischer Werte sowie die Frage sprechen, wie Freiheit, Wohlstand und Sicherheit sowohl für Palästinenser als auch für Israelis gefördert werden könnten.



Herzog sagte, er werde in den USA auch über die «internen Herausforderungen» sprechen. Seit Monaten bemüht er sich um einen Kompromiss zwischen Regierung und Opposition - bislang erfolglos. Der Präsident in Israel hat anders als in den USA vor allem eine repräsentative Funktion.



Die Protestbewegung ist eine der größten in der Geschichte Israels, einem Land mit rund 10 Millionen Einwohnern, und sie umfasst breite Gesellschaftsteile. Auch innerhalb des israelischen Militärs wächst der Widerstand gegen die Regierung. Mehrere Tausend Reservisten drohten bereits, ihren Dienst nicht mehr antreten zu wollen, sollte ein Teil der Justizreform verabschiedet werden.

 

Ein Großteil des israelischen Militärs besteht aus Reservisten. Netanjahu bezeichnete die mögliche Dienstverweigerung als «gesetzeswidrig» und betonte, dass «die Sicherheit aller israelischen Bürger» gefährdet sei.



Beziehungen zwischen Israel und USA auf dem Prüfstand



In Israel sorgte zuletzt ein Kommentar in der «New York Times» des Autors Thomas L. Friedman mit dem Titel «Die Neubewertung der Regierung Netanjahu durch die USA hat begonnen» für Aufsehen. Friedman warnt darin, dass die US-Regierung zunehmend wegen Netanjahus Politik besorgt sei und ihre bisherigen Beziehungen mit dem Land neu überdenke würde. Israelische Beobachter äußerten ähnliche Sorgen. Ein Anzeichen dafür wurde auch im Ausbleiben der Einladung Netanjahus ins Weiße Haus gesehen.



Zwar vereinbarten Biden und Netanjahu bei einem Telefonat am Montag nun das Treffen im Herbst, was einige Beobachter als Entspannungssignal interpretierten. Während Netanjahus Büro jedoch nach dem als «lang und herzlich» bezeichneten Gespräch die Einladung in die USA thematisierte, bestätigte das Weiße Haus erst auf Nachfrage von Journalisten, dass es «wahrscheinlich» noch vor Ende des Jahres ein Treffen gibt. Kirby warnte zudem, das Telefonat und die geplante Begegnung zu hoch zu bewerten: Die Bedenken wegen des geplanten Umbaus der Justiz und «extremistischer Handlungen» einiger Kabinettsmitglieder seien nicht geringer geworden. Biden ließ Netanjahu nach Angaben des Weißen Hauses im Gespräch auch von seiner Sorge angesichts des Ausbaus der Siedlungen wissen.



In einem Interview des Senders CNN hatte Biden kürzlich offen Netanjahus Kabinett kritisiert und einige Mitglieder als extrem bezeichnet. Insbesondere diejenigen seien problematisch, «die sagen: «Wir können siedeln, wo wir wollen»». Mit Blick auf Netanjahu, den er beim Spitznamen nannte, fügte Biden hinzu: «Ich hoffe, dass Bibi sich weiter in Richtung Mäßigung und Wandel bewegen wird.»



Israels Regierung treibt Siedlungsbau voran



Netanjahus Koalition ist die am weitesten rechtsstehende in der Geschichte Israels. Mehrere Minister vertreten rechtsextreme Ansichten und wollen den umstrittenen Siedlungsbau im besetzten Westjordanland massiv vorantreiben. Seit Antritt der Regierung wurden laut der Menschenrechtsorganisation Peace Now so viele neue israelische Wohneinheiten in den besetzten palästinensischen Gebieten genehmigt, wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnung 2012.



Biden ist als Gegner der israelischen Siedlungspolitik bekannt, welche die Regierung seines Vorgängers Donald Trump noch unterstützt hatte. Zum Amtsantritt Netanjahus teilte er bereits warnend mit, die USA würden weiterhin «die Zwei-Staaten-Lösung unterstützen und sich Politik entgegenstellen, die ihre Realisierbarkeit gefährdet oder unseren gemeinsamen Interessen und Werten zuwiderläuft».



Israel hatte während des Sechs-Tage-Krieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Rund 600 000 Israelis leben dort heute in mehr als 200 Siedlungen. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete als Teil eines eigenen Staats. (dpa)