Proteste wegen Koran-Verunglimpfungen: Pistorius sagt Irak-Reise ab

Nach der schwedischen Botschaft geraten im Irak Einrichtungen eines anderen skandinavischen Landes ins Visier wütender Demonstranten. Grund dafür ist eine islamfeindliche Aktion in Kopenhagen. Das hat auch Auswirkungen auf die Reisepläne des Bundesverteidigungsministers.



Bagdad/Berlin. Nach gewaltsamen Ausschreitungen in Folge islamfeindlicher Aktionen in Schweden und Dänemark hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eine Reise in den Irak praktisch in letzter Minute abgesagt. Das Ministerium begründete dies am Sonntag in Berlin mit Sicherheitsbedenken. Das Bundeskriminalamt habe abgeraten, hieß es. Nach Einschätzung deutscher Stellen sei eine Verschärfung der Lage nicht auszuschließen. Am Sonntag herrschte im Irak nach mehrtägigen Protesten angespannte Ruhe.



Zwei islamfeindliche Aktionen in Schweden sowie eine weitere Aktion am Freitag in Dänemark hatten bei Muslimen weltweit für Empörung gesorgt. Dabei wurden Koran-Exemplare verbrannt oder mit Füßen getreten. Mehrere arabische Länder äußerten offiziellen Protest.



Besonders heftig waren die Reaktionen im Irak, dessen Regierung die schwedische Botschafterin auswies. Zuvor waren Demonstranten in Bagdad in die schwedische Botschaft eingedrungen und hatten Feuer gelegt. In der irakischen Provinz Basra griffen Demonstranten Räume der Dänischen Flüchtlingshilfe an. Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) kündigte am Samstagabend eine Krisensitzung an. Die Außenminister der 75 Länder zählenden Organisation mit Sitz in Saudi-Arabien wollten dabei über gemeinsame Schritte beraten. Das Außenministerium in Riad sprach von einer «systematischen Provokation gegen die Gefühle von Millionen Muslimen auf der ganzen Welt».



Der Iran forderte die Auslieferung eines Exil-Irakers, der in Stockholm ein Exemplar des Korans in Brand gesetzt hatte und nun auch auf einem Koran herumtrampelte. Der iranische Religionsführer Ayatollah Ali Chamenei sagte dazu am Samstag: «Muslimische Gelehrte sind sich einig, dass der Täter dieses Verbrechens die härteste Strafe erhalten muss.» Mutwillige Koranschändungen gelten im Iran als Blasphemie. Im Extremfall kann dort für Gotteslästerung die Todesstrafe verhängt werden.



Chamenei äußerte sich nicht genauer, was er mit der «härtesten Strafe» meint. In Schweden hatte der gebürtige Iraker zwei Mal binnen weniger Wochen Exemplare der heiligen islamischen Schrift verunglimpft. Die Aktion war von der Polizei erlaubt worden. Kritik an Religionen ist in Schweden von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Behörden ermitteln nun aber wegen möglicher Volksverhetzung. Der Iran wie auch Saudi-Arabien und Katar bestellten Schwedens Botschafter ein.



In Dänemark wurde zudem am Freitag nahe der irakischen Botschaft in Kopenhagen ein Buch verbrannt, bei dem es sich offenbar um einen Koran handelte. Facebook-Videos zeigen, wie ein Mann ein Buch anzündet und dann eine irakische Flagge darüber legt. Dann legt er die Flagge auf den Boden und geht mehrfach über sie hinweg.



Aufrufe zu neuen Demonstrationen im Irak gab es am Sonntag zunächst nicht. Dort waren vor allem Anhänger des einflussreichen schiitischen Geistliche Muktada al-Sadr losgezogen. In Bagdad versammelten sie sich nahe der dänischen Botschaft, bis Sicherheitskräfte sie mit Wasserwerfern auseinandertrieben. Die Dänische Flüchtlingshilfe bestätigte auf dpa-Anfrage, dass es am Morgen einen bewaffneten Angriff gegeben habe. Ein Gebäude sei in Brand gesetzt worden.



Die dänische Regierung verurteilte das Verbrennen des Korans. «Das Verbrennen heiliger Texte und anderer religiöser Symbole ist eine schändliche Tat, die die Religion anderer missachtet», erklärte das Außenministerium. Zugleich verwies das Ministerium auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. (dpa)