Iranische Zeitung: Großteil der Moscheen geschlossen

Teheran. In der Islamischen Republik Iran sind einem Zeitungsbericht zufolge Zehntausende Moscheen geschlossen. Von den landesweit rund 75 000 Gebetshäusern seien etwa 50 000 inaktiv, berichtete die Tageszeitung «Entekhab» am Sonntag. Die Zahl hatte ungewöhnlicherweise ein Berater des erzkonservativen Präsidenten Ebrahim Raisi bekannt gemacht. Abolghassem Dolabi beklagte, dass die Regierung sich zu wenig für religiöse Belange einsetze.



In ihrem Artikel ging die Zeitung mit ungewöhnlich kritischem Blick auf die möglichen Ursache der Schließungen ein. Sie zitierte etwa einen schiitischen Gelehrten aus der religiösen Hochburg Ghom, der eine allzu große Einmischung der Politik in die Religion beklagte.



«Einer der Gründe für die Schließung von Moscheen ist, dass diese heute zum Stützpunkt bestimmter Gruppierungen und der Politik geworden sind», zitierte «Entekhab» den Geistlichen Fasel Maibodi. Der Prediger, der dem Lager der Reformpolitiker zugeordnet wird, forderte stattdessen, dass die Moscheen wieder mehr zu einem Ort der Spiritualität und des Glaubens werden sollen. «Wenn die Regierung die Moscheen nicht unterstützen und sich nicht in ihre Angelegenheiten einmischen würde, wären unsere Moscheen heute wahrscheinlich nicht leer», sagte Maibodi weiter. Laut der Zeitung stellt die Regierung im aktuellen Haushalt umgerechnet etwa 17,4 Millionen Euro für die landesweiten Gebetshäuser bereit.



Der schiitische Islam ist seit der Revolution von 1979 Staatsreligion im Iran. Ein Meinungsforschungsinstitut in den Niederlanden kam 2020 bei der Befragung von Zehntausenden Iranern und Iranerinnen zum Schluss, dass etwa die Hälfte der Landesbewohner sich im Lauf ihres Lebens vom Glauben abgewendet hat. Die Protestwelle im Herbst 2022 konfrontierte die Staatsführung mit der Wut einer jungen Generation.



Nach dem Tod der jungen iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini, die wegen angeblicher Verstöße gegen die Kopftuchpflicht festgenommen worden war, forderten Demonstrantinnen und Demonstranten offen einen Sturz des islamischen Herrschaftssystems. Inzwischen ist vor allem wieder Alltag eingekehrt. Viele Frauen leisten jedoch weiter zivilen Ungehorsam, etwa indem sie die Kopftuchpflicht ignorieren. (dpa)