Menschenrechtsgericht fordert Entlassung Osman Kavalas aus Haft in Türkei

Der türkische Intellektuelle Kavala muss nach zwei Jahren U-Haft aus dem Gefängnis entlassen werden - so sehen es die Richter in Straßburg. Ankara muss das Urteil eigentlich umsetzen. Doch kommt Kavala wirklich frei?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die sofortige Freilassung des türkischen Intellektuellen Osman Kavala aus der Untersuchungshaft gefordert. «Das Gericht ist der Ansicht, dass die Regierung alle notwendigen Maßnahmen ergreifen muss, um die Inhaftierung des Antragstellers zu beenden und seine sofortige Freilassung sicherzustellen», erklärte das Gericht am Dienstag in Straßburg. Kavala sitzt seit rund zwei Jahren in Untersuchungshaft und ist im Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul inhaftiert.

Seine Anwälte begrüßten die Entscheidung, kritisierten jedoch, dass sie spät gefallen sei. Das Urteil müsse nun umgehend umgesetzt werden, forderten sie. Auch die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International forderten die Umsetzung der Entscheidung. «Die türkischen Behörden sollten Kavala umgehend freilassen und ihr hartes Vorgehen gegen Menschenrechtler einstellen», sagte Aisling Reidy, leitende juristische Beraterin für Human Rights Watch.

Urteile des EGMR sind für die Türkei als Mitglied des Europarats eigentlich bindend. Im Fall des pro-kurdischen Politikers Selahattin Demirtas, der seit rund drei Jahren inhaftiert ist, hatte Ankara eine Entscheidung der Straßburger Richter allerdings nicht umgesetzt. Diese hatten vergangenes Jahr die Freilassung Demirtas' angeordnet.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte daraufhin erklärt, er fühle sich an das Urteil nicht gebunden. Im Fall Kavalas kam der EGMR am Dienstag zu dem Schluss, dass dieser und mit ihm alle Menschrechtsverteidiger mit der Inhaftierung zum Schweigen gebracht werden sollen. Es liege zudem ein Verstoß gegen Artikel 18 der Europäischen Menschenrechtskonvention und damit der Vorwurf eines politischen Verfahrens vor.

Kavala wird unter anderem ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen. Er wird unter anderem beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben. Das Menschenrechtsgericht betonte in seiner Entscheidung, dass dafür keine ausreichenden Beweise vorgelegt worden seien. Erst im Oktober hatte ein türkisches Gericht entschieden, dass Kavala weiter in Untersuchungshaft bleiben muss.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), begrüßte die EGMR-Entscheidung ebenfalls und schrieb auf Twitter: «Es ist höchste Zeit, dass die Untersuchungshaft aufgehoben und das Verfahren in der Türkei zügig und fair beendet wird.»

Im sogenannten Gezi-Prozess, der auch international aufmerksam verfolgt wird, sind neben Kavala noch 15 weitere Aktivisten angeklagt. Die nächsten Verhandlungstage sind für den 24. und 25. Dezember angesetzt. (dpa)