Hoher Islamrat in Mali soll Gespräche mit Dschihadisten führen

Im Sahel nimmt die Gewalt kein Ende. Ein Ausweg könnten Verhandlungen mit Terroristen-Anführern sein. Mali hat diese nun angekündigt. Auch in Burkina Faso befürworten viele diesen Ansatz.



Ouagadougou/Bamako. Der Hohe Islamische Rat Malis (HCI) unter dem Vorsitz von Ousmane Haidara hat es öffentlich gemacht: Die Übergangsregierung von Oberst Assimi Goita, die seit dem Putsch im August 2020 an der Macht ist, hat das Gremium beauftragt, Gespräche mit den Dschihadistenführern Iyad Ag Ghaly und Amadou Koufa aufzunehmen. Sie stehen der Al-Kaida nahe und haben sich 2017 als Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Muslime (JNIM) zusammengeschlossen, operieren zudem aber auch weiterhin einzeln in anderen Bewegungen.



Nach Einschätzung der nichtstaatlichen Organisation ACLED, die Daten zu Konflikten weltweit erhebt, ist JNIM in den vergangenen Wochen in dieser Hinsicht die "aktivste Gruppe" im Sahel gewesen. Unter anderem wurden in der Region Mopti bei einem Angriff auf einen Armee-Konvoi mehr als ein Dutzend Soldaten getötet.



Schon im vergangenen Jahr, als der frühere Präsident Ibrahim Boubacar Keita noch an der Macht war, hatte es Spekulationen über Verhandlungen gegeben, die auch Malis bekanntester Imam Mahmoud Dicko befürwortet hatte. Der Vertreter des Wahhabismus sagte in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), ein Austausch mit all jenen, die ebenfalls Malier und somit "Brüder" seien, müsse möglich sein.



Dazu kommt, dass die zahlreichen Militärmissionen wie etwa die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (Minusma), an der sich die Bundeswehr mit bis zu 1.100 Soldaten beteiligt, längst als gescheitert gelten. Die Gewalt hat sich aus dem Norden ins Zentrum des Landes verlagert und bis ins Nachbarland Burkina Faso ausgeweitet.



Dort werden die geplanten Gespräche nun mit Spannung beobachtet. Laut ACLED ist Burkina Faso aktuell am stärksten von der Gewalt betroffen und verzeichnete in den vergangenen Wochen mehr als ein Dutzend Anschläge, die auch von JNIM verübt wurden. Ein Dialog war bereits im vergangenen Jahr Thema bei der Präsidentenwahl. Während die Oppositionskandidaten sich dafür aussprachen, lehnte der wiedergewählte Amtsinhaber Roch Marc Christian Kabore ihn ab. Wenige Monate später signalisierte seine neue Regierung aber erstmals Gesprächsbereitschaft.



Es ist ein Vorgehen, das die katholische Kirche in dem westafrikanischen Land begrüßt. Etwa ein Viertel der 21,3 Millionen Einwohner sind Katholiken. Die Mehrheit der Bevölkerung mit knapp 63 Prozent bekennt sich zum Islam. Laurent Dabire, Bischof von Dori und Vorsitzender der Bischofskonferenz, betonte schon vor Monaten: "Ein Dialog ist der bessere Weg." Man müsse aber über die Konditionen sprechen.



Verhandelbar sei allerdings nicht alles, heißt es aktuell in Gesprächen. Dazu würden Forderungen gehören, einen Teil des Staatsgebietes abzutreten, um dort einen islamischen Staat mit radikaler Ausrichtung zu errichten. Es ist allerdings nicht bekannt, ob diese Forderung wirklich je gestellt worden ist. Anders als aus Mali ist in Burkina Faso bisher nicht bekannt, dass sogenannte Dschihadisten Dörfer, die sie überfallen haben, unter ihre Kontrolle bringen und dort eigene Strukturen aufbauen. Die Gewalt ist vielmehr mit Drogenschmuggel verbunden. Burkina Faso liegt auf der Route zwischen dem Tschadsee und Mali.



Ständig mit einem Austausch befasst ist Etienne Kabore, Priester in der Erzdiözese Ouagadougou und dort außerdem Verantwortlicher für den muslimisch-christlichen Dialog. "Man muss Gespräche führen. Es ist der einzige Weg, um Frieden zu finden", sagt auch er.



Im Büro der Gesellschaft für religiöse Toleranz und interreligiösen Dialog (ATR/DI): Ihr Präsident ist der Sozialanthropologe Issaka Sourwema, der im traditionellen Leben Naaba Boalga heißt und Chef des Dorfes Dawelgue 40 Kilometer südlich der Hauptstadt Ouagadougou ist. "Es ist wie in meinem Dorf. Bei einem Konflikt müssen Lösungen gefunden werden", sagt er. Würde man versuchen, diese mit Gewalt zu beenden, würde es bald keine Dörfer mehr geben. "Meine ganz persönliche Meinung ist deshalb: Kein Krieg ist jemals mit Waffengewalt beendet worden, sondern durch Verhandlungen." (KNA)