Hilfsorganisationen: Razzien und Gewalt gegen Migranten in Libyen

Tripolis. In Libyen gehen Sicherheitskräfte nach Einschätzung von Hilfsorganisationen mit beispielloser Härte gegen Migranten vor. In vergangenen Tagen wurden bei Razzien in der Hauptstadt Tripolis demnach Tausende Migranten und Flüchtlinge willkürlich festgenommen und in überfüllte Lager gedrängt. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) sprach von mindestens 5000 solcher Festnahmen durch die Behörden, unter ihnen Frauen und Kinder. Die Zahl der festgenommenen Migranten habe sich in einer Woche auf etwa 10 000 verdoppelt, teilte der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) am Sonntag mit.

In einem Internierungslager in Tripolis kam es nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) am Freitag zu einem Aufstand und einem großen Fluchtversuch, bei dem Sicherheitskräfte das Feuer eröffneten. Mindestens sechs Migranten seien getötet und weitere 24 verletzt worden. IOM-Mitarbeiter hätten bei diesen «sinnlosen Tötungen» einige der Opfer in «Blutlachen am Boden» gesehen. In dem Lager waren laut IOM etwa 3400 Migranten untergebracht, unter ihnen rund 500 Frauen und Kinder.



Das libysche Innenministerium wies die Vorwürfe zurück. Es lege Wert auf Professionalität, «ethische Verantwortung» und respektiere die Menschenrechte im Umgang mit Migranten, hieß es. Beim Umgang mit den «Gesetzlosen» werde das Ministerium mit Blick auf die Sicherheit in Libyen aber unter keinen Umständen nachgeben.



Libyen ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten und Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa. In oft heillos überfüllten und unhygienischen Lagern werden Hilfsorganisationen zufolge viele von ihnen auf engstem Raum gedrängt, oft ohne ausreichend Zugang zu sauberem Wasser, Essen, Toiletten oder medizinischer Versorgung.



Immer wieder kommt es demnach zu Gewalt, sexuellen Übergriffen und Ausbeutung durch Aufseher. Augenzeugen hatten Ärzte ohne Grenzen berichtet, dass Sicherheitsbehörden bei den Razzien in Tripolis gewaltsam vorgingen und es dabei auch zu sexueller Gewalt kam. Ein Mann berichtete, dass maskierte und bewaffnete Sicherheitskräfte sein Haus gestürmt und ihn und andere Bewohner unter Schlägen abtransportiert hätten. (dpa)