"Vermisst" auf Zypern

Am 20. Juli 1974 landeten türkische Truppen auf Zypern und sind bis heute geblieben, die dadurch seit 30 Jahren in einen griechischen und einen türkischen Teil geteilt ist. Ein Augenzeugenbericht von Peter Philipp.

Geteiltes Zypern, Foto: AP
Geteiltes Zypern

​​Das "Kleopatra" gehörte nicht gerade zu den prominenten Hotels der zypriotischen Hauptstadt Nicosia. Dieser Umstand erwies sich als sehr nützlich für eine Gruppe von Männern, die sich in den ersten Julitagen des Jahres 1974 dort regelmäßig trafen: Vertreter der "Nationalgarde" - der Festland-griechisch befehligten Truppen auf Zypern und der ehemalige Journalist Nicos Sampson, der sich in der Vergangenheit freilich weniger durch Publikationen, als vielmehr als durch seine Verwicklung in Terroranschläge hervorgetan hatte.

Die Runde traf sich nicht zu "Brandy Sour" oder "Kleftiko" - dem traditionellen zypriotischen Lammbraten. Sie plante den Umsturz. Im Auftrag des wenige Monate zuvor in Athen an die Macht gekommenen Generals Dimitrios Ioannides sollte ein Weg gefunden werden, Staatspräsident Makarios loszuwerden und den Weg zu ebenen für "Enosis" - den Anschluss der Mittelmeerinsel an das griechische Mutterland.

Makarios - einst ein eifriger Fürsprecher der "Enosis" - war bei dem eingefleischten Antikommunisten Ioannides in Ungnade gefallen, weil er sich mit Kommunisten liiert hatte und weil er angeblich die Idee des Anschlusses aufgegeben hatte.

Putsch als "Friedenseinsatz"

Der Putsch kam am 15. Juli: Makarios konnte nur knapp entkommen und ging ins Exil, die Putschisten - wie auch die Obristen in Athen - hatten aber einen kapitalen Fehler begangen: Fünf Tage später griff die Türkei an und begann mit der Eroberung des Nordens der Insel.

Der damalige türkische Ministerpräsident, Bülent Ecevit, berief sich auf das Recht der drei Garantiestaaten der zypriotischen Unabhängigkeit - Großbritannien, Griechenland und die Türkei - einzugreifen, wenn diese Unabhängigkeit gefährdet sei. Und der drohende Anschluss an Griechenland stellte sicher solch eine Gefährdung dar.

Während die internationale Gemeinschaft die Invasion verurteilte, stellte Ecevit sie als eine Art "Friedenseinsatz" dar: "Wir gehen im Grunde nicht für Krieg, sondern für den Frieden auf die Insel. Und wir wollen nicht nur den Türken, sondern auch den Griechen Frieden bringen."

Türkische Invasion von Norden

Die ersten türkischen Fallschirmspringer waren in den Morgenstunden des 20. Juli von Nicosia aus zu sehen und türkische Landetruppen gingen wenige Meilen westlich der nordzypriotischen Hafenstadt Kyrenia an Land.

Die Griechen aus Kyrenia flohen in das UNO-Lager auf halbem Weg nach Nicosia und wurden von dort später in den nicht besetzten Teil evakuiert. In einigen Enklaven saßen Griechen noch Monate lang im Norden fest, bis sie dann nach Vereinbarungen zwischen dem damaligen Interims-Präsidenten Glafkos Klerides und seinem türkischen Counterpart Rauf Denktasch und mit Hilfe der britischen Marine ausgetauscht wurden durch Türken, die im Süden der Insel lebten.

Nach einer zweiten militärischen Runde im Juli 1974 war die Teilung der Insel "perfekt": Die Türken kontrollierten über 40 Prozent im Norden, obwohl sie nur 18 Prozent der Bevölkerung ausmachten und im Süden wurden die Flüchtlinge aus dem Norden aufgenommen.

Der türkische Angriff auf die schlecht bewaffnete griechisch-zypriotische Nationalgarde schien wie der Kampf Goliaths gegen David, aber der NATO-Staat Türkei hatte Probleme damit: Es dauerte Tage, bis man den Norden eingenommen hatte und man verlor dabei auch eine erstaunlich hohe Anzahl von Flugzeugen, die im Tiefflug zum Teil Opfer von MG-Feuer wurden.

Kein Kontakt zur Aussenwelt

Die Invasion der Türkei fand weitgehend "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" statt: Mit der Landung der ersten Fallschirmjäger hatten die griechischen Zyprioten die Telefonleitungen ins Ausland gekappt und nur einige wenige Berichte drangen vom Gebiet der souveränen britischen Basen (einem Erbe der britischen Kolonialzeit) ins Ausland.

Das Gros der Journalisten, die sich auf Zypern befanden, konnte aber tagelang keine Berichte absetzen, während aus Tel-Aviv, Beirut, Athen und Istanbul berichtet wurde, ohne die wahren Vorgänge vor Ort zu kennen.

Auch über die deutsche Botschaft konnte man damals keinen Kontakt nach Hause bekommen. Zumindest nicht die der Bundesrepublik: Zypern war offensichtlich als Ferieninsel eingestuft und es gab keinen Funkkontakt mit Bonn.

Die DDR-Botschaft hingegen schien unter der Last ihrer Antennen förmlich zusammenzubrechen. Dort aber um einen Kontakt nach Westdeutschland nachzufragen, schien dem Berichterstatter nicht gerade opportun. Was zur Folge hatte, dass er bei seiner Evakuierung eine Woche nach der Invasion von der heimatlichen Redaktion mit der Brandmeldung einer Boulevard-Zeitung konfrontiert wurde, er sei "auf Zypern vermisst..."

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004