Jesiden trauern um ihr geistliches Oberhaupt Baba Sheikh

Jesiden in aller Welt trauern um ihr geistliches Oberhaupt Baba Sheikh. Dieser war am Donnerstag im Alter von 87 Jahren im nordirakischen Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, gestorben. Das teilten der Zentralrat der Jesiden in Deutschland und verschiedene kurdische Medien mit. Wie das Nachrichtenportal "Rudaw" berichtete, war Khurto Hajji Ismail am Dienstag wegen Nieren- und Herzproblemen dort in ein Krankenhaus eingeliefert worden.

Der Ministerpräsident der autononem Region Kurdistan, Masrour Barzani, würdigte den Verstorbenen als wichtige Persönlichkeit. Er habe eine wichtige Rolle für das friedliche Zusammenleben der Religionen in der Region Kurdistan gespielt.

Die Jesidin Nadia Murad, die 2018 den Friedensnobelpreis erhalten hatte, schrieb auf Twitter, die jesidische Gemeinschaft habe "ein Leuchtfeuer verloren. Der geistliche Führer der Jesiden verkörperte unsere Werte der Weisheit, Freundlichkeit und Toleranz. Er führte die Gemeinschaft mit gutem Beispiel voran und behandelte jesidische Überlebende mit Liebe und Respekt. Er wird für immer vermisst werden."

2017 hatte der Baba Sheikh im Zuge der Debatte um die Aufnahme jesidischer Flüchtlinge Deutschland besucht. 2015 war er von Papst Franziskus im Vatikan empfangen worden.

Jesiden sind eine religiöse Minderheit unter den Kurden. Weltweit hat die monotheistische Religionsgemeinschaft mehrere hunderttausend Mitglieder. Sie leben vor allem im nördlichen Irak, viele sind allerdings vor der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) geflüchtet.

Auch in Westeuropa gibt es inzwischen jesidische Gemeinden, nach Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung findet sich die weltweit größte in Deutschland mit rund 150.000 Jesiden.

Der jesidische Glaube vereint Elemente verschiedener nahöstlicher Religionen, vor allem aus dem Islam, aber auch aus dem Christentum. Jesiden glauben nicht an ein Paradies oder eine Hölle, sondern an Seelenwanderung und Wiedergeburt.

Jesiden haben neben dem religiösen Oberhaupt, dem Baba Sheikh, auch ein weltliches Oberhaupt. Jeside ist nur, wer von jesidischen Eltern abstammt. Heiratet ein Jeside einen Andersgläubigen, gilt das als Austritt aus der Religionsgemeinschaft.

Jesiden wurden im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verfolgt, sowohl religiös als auch - wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Kurden - ethnisch. Fundamentalistische Muslime betrachten sie als "ungläubig" und "vom wahren Glauben abgefallen". Deshalb verbergen Jesiden in ihren Heimatgebieten häufig ihre Identität. Das Verhältnis zu Christen gilt in der Regel als gut. (KNA)