Nach Abzugsankündigung aus Syrien: US-Außenminister Pompeo will mehr Engagement von Verbündeten

Die Sorge im Nahen Osten ist groß, dass der Rückzug der USA zu einem gefährlichen Machtvakuum führen könnte. US-Außenminister Pompeo sieht in einer Grundsatzrede die Verbündeten in der Pflicht. Und zieht einen historischen Vergleich. Von Benno Schwinghammer

Nach der Ankündigung des Abzugs von US-Truppen aus Syrien hat Außenminister Mike Pompeo von den Ländern der arabischen Welt mehr Engagement im Kampf gegen den Terror gefordert. «Wir bitten alle friedliebenden Nationen im Nahen Osten, neue Verantwortungen zu übernehmen um den islamistischen Extremismus zu besiegen (...)», sagte Pompeo am letzten Donnerstag in Kairo bei einer Grundsatzrede zur US-Politik in der Region. Amerika werde sich zwar nicht zurückziehen, bevor der Kampf gegen den Terror beendet sei. «Aber wie Präsident Trump gesagt hat: Wir möchten, dass unsere Verbündeten mehr machen».

Nach Trumps Ankündigung im Dezember, die USA würden ihre Truppen aus Syrien «schnell» abziehen, herrscht weiter Unklarheit, wann genau die 2.000 US-Soldaten das Bürgerkriegsland verlassen werden. Andere US-Vertreter hatten sich nach Trumps Äußerungen in Anbetracht der drohenden Gefahr für die Verbündeten vor Ort wesentlich vorsichtiger geäußert. Die mit den USA alliierten Kurden in Nordsyrien fürchten durch den Rückzug einen Angriff der Türkei. Ankara sieht die kurdischen Kämpfer als Terroristen und verlängerten Arm der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Pompeo sagte in der Amerikanischen Universität Kairo, Trumps Entscheidung sei keine Änderung der Anti-Terror-Mission. «Wir bleiben der kompletten Zerstörung des IS, der von ihm ausgehenden Gefahr und aller radikalen Gruppen in all ihren Formen verbunden.» Nach dem Verlassen der US-Soldaten in Syrien würden die Luftangriffe der US-geführten Militärkoalition weitergehen. Auch in Zukunft würden die USA ihren Verbündeten auf vielen Wegen zur Seite stehen.

Neben den Terrorgruppen schoss Pompeo dabei vor allem gegen den schiitischen Iran als «gemeinsamer Feind» der USA und den arabischen Staaten. Der gefährliche Einfluss Teherans in der Region, unter anderem im Jemen und im Libanon, müsse zurückgedrängt werden. Die US-Sanktionen gegen den Iran bezeichnete er als die schärfsten der Geschichte, «und sie werden schärfer, bis das iranische Regime seine Politik ändert, das die Vereinigten Staaten (...) bedroht.»

Die Rede des US-Außenministers wurde zuvor als eine Art Antwort der Trump-Administration auf die historische Ansprache «Ein Neuanfang» des damaligen US-Präsidenten Barack Obama im Juni 2009 in der Universität Kairos gesehen. Obama forderte damals einen Neubeginn in den Beziehungen der USA zu Muslimen, aufbauend auf gemeinsamen Prinzipien und in gegenseitigem Respekt.

Pompeo spielte dementsprechend auf die Rede Obamas vor knapp zehn Jahren an, stellte die Nahost-Politik der Vorgängerregierung als den Ursprung der «selbstverschuldeten amerikanischen Schande» dar und prangerte eine Reihe von «Fehleinschätzungen» Obamas an, darunter auch dessen Zurückhaltung in Nahost. «Jetzt kommt der wirkliche Neuanfang», meinte Pompeo.

Der Leiter der Denkfabrik Crisis Group aus Brüssel, Robert Malley, bezeichnete die Rede Pompeos als eine «selbstgerechte, wahnwitzige Darstellung der Nahost-Politik der Trump-Regierung.» Malley war unter Präsident Obama Koordinator der US-Nahost-Politik. Die Ansprache von Außenminister Pompeo ist einer der Höhepunkte seiner ausgedehnten Nahost-Tour, bei der er noch bis zum 15. Januar durch die arabische Welt reist und insgesamt neun Länder besucht. (dpa)