Hitzige Debatte: Kirchenvertreter und AfD-Politiker diskutieren über Integration in Deutschland

Soll man mit der AfD diskutieren? Der EKD-Kulturbeauftragte Claussen und Kulturrats-Geschäftsführer Zimmermann sagen ja und nehmen an einem Streitgespräch im Bundestag teil. Schnell kommt es zum Zwist - über den Islam. Von Mey Dudin

Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, fordert von der AfD eine andere Diskussionskultur. Warum die Partei anstelle aggressiver Wortbeiträge nicht auf positive Weise beschreibe, was für sie die deutsche Kultur sei, fragte der Pastor am Montagabend in einer Podiumsdiskussion im Bundestag.

Claussen und der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, waren einer Einladung der rechtspopulistischen Partei gefolgt, und nahmen an einem «Streitgespräch» zum Thema «Zusammenhalt in Vielfalt. 15 Thesen zu kultureller Integration und Zusammenhalt» teil. Es gehe darum, Vorbehalte abzubauen, indem man «auch dort miteinander redet, wo es wehtut», sagte Zimmermann. Er und Claussen wollen nach eigenen Worten auch den AfD-Vorwurf entkräften, dass die politischen Gegner sich dem Diskurs verweigerten, und schauen, mit wem von der AfD es sich lohnt, weiter zu sprechen. Nur mit Gesprächen sei eine Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, so ihre Überzeugung.

Aufhänger der Debatte waren die von der «Initiative kulturelle Integration» vor mehr als einem Jahr vorgestellten 15 Thesen für Zusammenhalt, an denen Ministerien, Verbände, Kirchen, Medienvertreter, Gewerkschaften und Arbeitgeber mitgewirkt hatten. In der These 1 wird festgehalten, dass das deutsche Grundgesetz die «unverrückbaren Prinzipien des Zusammenlebens» beschreibe. Weitere Themen sind die Bedeutung von Umgangsformen, Geschlechtergerechtigkeit, Kunstfreiheit, Bildung, das Bekenntnis zu Einwanderung als Teil deutscher Geschichte, Toleranz und bürgerschaftliches Engagement. Es gehe dabei nicht nur um Einwanderer, betonte Zimmermann. Das Thema Zusammenhalt müsse auch zwischen Jung und Alt diskutiert werden, zwischen Nord und Süd und zwischen Reich und Arm.

Die AfD hat dazu kritische Anmerkungen erarbeitet und moniert, dass Integrationsprobleme verharmlost und Straftaten wie Ehrenmorde und Kinderehen relativiert würden. Es werde durchgehend davon ausgegangen, dass die deutsche Kultur und die Kultur der Zuwanderer gleichwertig seien, bemängelte Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, das Papier. Doch bei der Integration von Menschen könne die Leitkultur nicht ausgesondert werden. Martin Renner, medienpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, kritisierte, dass über deutsche Identität in dem Thesenpapier überhaupt nicht gesprochen werde.

Auch spezielle Probleme im Zusammenhang mit muslimisch geprägten Zuwanderungen würden nicht benannt, fügte er hinzu, und setzte damit das Thema, worüber den Rest des Abends gesprochen wurde. Jongen sagte, es sei «blauäugig und naiv», wenn man nicht sehe, dass islamische Fundamentalisten dazu tendierten, Druck auf gemäßigte Muslime auszuüben und dort keinen Widerstand fänden. Denn dies bedeute Gefahr für Leib und Leben.

Pastor Claussen entgegnete: «Fundamentalismus gibt es in allen Religionen. Auch in meiner.» Außerdem müsse man aufpassen, dass man bei aller legitimen Islamkritik nicht einer ganzen Bevölkerungsgruppe abspreche, dass sie sich verändern könne. Zimmermann betonte, es gebe in Deutschland keine Scharia. Das Grundgesetz gelte für Muslime ebenso wie für Christen und Juden. Es gebe eine klare Gewaltenteilung.

Das Thema Moscheebau sorgte für die meiste Aufregung unter den Zuschauern der Debatte. Als Zimmermann darauf hinwies, dass nach dem deutschen Grundgesetz der Moscheebau nicht verboten werden könne, riefen mehrere «wo» in der Verfassung dies denn stünde. Das Grundgesetz habe die Religionsfreiheit klar definiert, antwortete Zimmermann. Daher dürften Muslime selbstverständlich in ihren Gotteshäusern beten und um das tun zu können, müssten sie diese auch bauen dürfen.

AfD-Politiker Renner, der selbst lange Zeit kirchlich engagiert war, brachte schließlich den Begriff «Heimat» auf und sagte, dass die Kulturanthropologie diesen mit der «Trinität von Gemeinschaft, Raum und Traditionen» erkläre. Claussen sagte dazu lediglich: «Trinität für mich etwas anders besetzt.» In der christlichen Theologie ist dies die Dreifaltigkeit Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist. (epd)