Kurden im Nordirak wählen ein neues Parlament

Ein Jahr nach dem Fiasko infolge eines Unabhängigkeitsreferendums haben die Bürger in der autonomen Kurdenregion im Nordirak ein neues Parlament gewählt. Rund 3,1 Millionen Wähler waren am letzten Sonntag aufgerufen, unter den Kandidaten von 29 politischen Bewegungen die 111 Abgeordneten zu bestimmen. Die Wahllokale schlossen am Abend, die Ergebnisse sollen an diesem Mittwoch verkündet werden.

Die Wahlergebnisse würden in 72 Stunden bekannt gegeben, teilte die Wahlkommission mit. Die Abstimmung verlief demnach abgesehen von ein paar Zwischenfällen mit bewaffneten Männern, die ohne die notwendigen Papiere wählen wollten, ruhig. Zur Wahlbeteiligung äußerte sich die Wahlkommission nicht, Angaben von 12.00 Uhr (Ortszeit, 11.00 Uhr MESZ) deuteten aber auf eine geringe Beteiligung hin.

Die irakischen Kurden waren Schlüsselpartner der USA beim Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Doch ihre Hoffnungen, dafür mit einem eigenen Kurdenstaat belohnt zu werden, erfüllten sich nicht. Beim Volksentscheid für die Unabhängigkeit der Region im September 2017 gab es zwar ein deutliches Ja-Votum, die irakische Zentralregierung wies das Referendum aber als "illegal" zurück.

Im Zuge einer Militäroffensive nahm die irakische Armee den Kurden praktisch alle Gebiete ab, die sie seit 2014 unter ihre Kontrolle gebracht hatten, darunter die ölreiche Region Kirkuk. Bagdad verhängte Strafmaßnahmen und ließ vorübergehend Grenzübergänge zur Türkei und in den Iran schließen. Eine Luftblockade gegen die autonome Kurdenregion wurde erst im März wieder aufgehoben. Bis dahin mussten alle Flüge aus der Kurdenregion ins Ausland über Bagdad umgeleitet werden.

Der ebenfalls im März vom Zentralparlament in Bagdad verabschiedete Haushalt 2018 für den Irak bedeutete einen weiteren Rückschlag für die Autonomieregion. Deren Haushaltsanteil sank von 17 Prozent auf 12,6 Prozent.

Gemäß der irakischen Verfassung steht der autonomen Region ein Anteil am Budget zu, der dem Anteil der Kurden an der Gesamtbevölkerung entspricht. Im neuen Haushalt ist allerdings vorgesehen, dass die Kurdenregierung 250.000 Barrel Öl pro Tag exportieren und den Erlös an die Zentralregierung nach Bagdad überweisen muss. Andernfalls drohen weitere Kürzungen.

Viele Menschen in der Kurdenregion sind enttäuscht und verbittert über die derzeitige politische Entwicklung. Der 26-jährige Hawzar Salar sagte bei der Stimmabgabe in der Regionalhauptstadt Erbil, mit der Wahl müsse ein "neues Kapitel eröffnet" werden.

Nach der US-Militärinvasion im Irak 2003 hatte die Kurdenregion einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Doch in den vergangenen Jahren hatten niedrige Ölpreise und der Krieg gegen die IS-Dschihadisten dem Gebiet schwer zugesetzt. "Die künftige Regierung muss sich um die Menschen kümmern, insbesondere um die Armen", sagte der arbeitslose Soran Rassul, der in Suleimanija, der zweitgrößten Stadt der Region, abstimmte.

Traditionell sind die Demokratische Partei Kurdistans (PDK) des ehemaligen Präsidenten der Kurdenregion, Massud Barsani, und ihre Gegenspielerin, die Patriotischen Union (UPK) die einflussreichsten Parteien in der autonomen Region. Im bisherigen Parlament verfügten sie über 38 beziehungsweise 18 Sitze.

Die größte Oppositionspartei, Goran (Wechsel), war mit 24 Abgeordneten vertreten. Einzig neue Partei unter den Parteien mit insgesamt 673 Kandidaten ist die Bewegung Neue Generation. Bei der Abstimmung sind elf Parlamentssitze für Vertreter ethnischer und religiöser Minderheiten reserviert - fünf für turkmenische Bewerber, fünf für Christen und einer für die armenische Gemeinde.

Die Wahl fand einen Tag vor der Abstimmung des irakischen Parlaments über den künftigen Staatschef statt. Der Präsidentenposten ist nach dem geltenden Proporz einem Kurden vorbehalten. (AFP)