Nach Demo-Verbot: «Samstagsmütter» von Istanbul wollen weitermachen

Nach der gewaltsamen Auflösung einer friedlichen Demonstration der «Samstagsmütter» in der türkischen Stadt Istanbul wollen die Frauen ihre Demonstrationen fortsetzen. Das sagten sie am Montag während einer Pressekonferenz. Am Samstag war die Polizei mit Tränengas und Plastikgeschossen gegen die Zusammenkunft der teils betagten Frauen und ihrer Verwandten und Unterstützer vorgegangen. Die Demonstration fand auf der großen Istiklal-Einkaufsstraße statt.

Hunderte Einkäufer flüchteten sich hustend in Geschäfte. Die «Samstagsmütter» demonstrieren seit 1995 jeden Samstag auf dem Galatasaray-Platz. Sie fordern Gerechtigkeit für in den 1980er und 90er Jahren verschleppte und verschwundene Menschen, vor allem aus den kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei. Die «Samstagsmütter» werfen dem Staat vor, bis heute die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft zu ziehen. Außerdem hätten die damaligen Machthaber selber Menschen verschwinden lassen.

Das Sit-In am Samstag war der 700. Protest der Gruppe. Die Regierung des Viertels Beyoglu hatte ihn wegen fehlender Genehmigung und angeblicher Terror-Verbindungen zuvor verboten.

Eine Teilnehmerin der Pressekonferenz, die seit 38 Jahren einen Verwandten vermisst, sagte der Zeitung «Cumhuriyet» zufolge: «Wir haben keine Kanonen, Gewehre oder Waffen. Wir haben Ansprüche an den Staat. Wir wollen Gerechtigkeit.» Ein Teilnehmer, dessen Bruder vor 32 Jahren verschwand, sagte: «Wir schöpfen Willen und Mut daraus, dass wir im Recht sind. Deshalb werden sie uns nicht von den Plätzen fernhalten können.»

Innenminister Süleyman Soylu rechtfertigte das Vorgehen der Sicherheitskräfte am Montag mit dem Argument, dass die Mütter von «der Terrororganisation» ausgenutzt würden. Gemeint ist die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation gilt und die Soylus Meinung nach die Mütterbewegung unterstützt, um den Terrorismus zu «legitimieren». (dpa)