Brücken bauen statt Koffer packen - Woche der Brüderlichkeit bietet neuem Antisemitismus die Stirn

Münchens Bürgermeister Josef Schmid (CSU) zeigt sich berührt. «Ich habe hier jüdische Freunde, die sich aktuell nach einer Wohnung im Ausland umschauen - aus Angst um ihre Sicherheit», erzählt er bei der Abschlussfeier der Woche der Brüderlichkeit am Sonntagabend in München. Wenngleich dies eine einzelne Beobachtung ist, spiegelt sie wider, was alle Redner aus Kirche und Politik zum Ende der diesjährigen Woche, die von den Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit organisiert wird, deutlich machten: Es gibt einen neuen Antisemitismus in Deutschland. Einig waren sich die Redner aber auch, was es dagegen zu tun gelte: nämlich Brücken bauen statt Koffer packen.

Und während aktuell wieder darüber diskutiert wird, ob der Islam zu Deutschland gehört, fand die bayerische Integrationsministerin Emilia Müller (CSU) im symbolträchtigen Saal des Alten Rathauses München, in dem Adolf Hitler und Josef Goebbels am 9. November 1938 die Reichspogromnacht in Gang setzten, klare Worte gegen Intoleranz: «Wer hier leben will, muss wissen: Das Judentum gehört zu Deutschland», betonte sie. Und es sei Aufgabe eines jeden, Antisemitismus die Stirn zu bieten, tolerant und weltoffen zu sein: «Denn wir sind froh, dass wir wieder ein blühendes jüdisches Leben in Deutschland haben.»

Auch Nikolaus Schneider macht sich Sorgen über den neuen Antisemitismus in Deutschland. Jedoch dürfe man nicht glauben, der komme nur von muslimischen Flüchtlingen und Einwanderern, betonte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Abschlussfeier in Augsburg. Auch Christen müssten «sensibel bleiben für den 'Balken der Judenfeindlichkeit in unseren eigenen Augen». Schneider ist Träger der Buber-Rosenzweig-Medaille.

Die von den Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit veranstaltete bundesweite Woche der Brüderlichkeit hatte in diesem Jahr das Motto «Angst überwinden - Brücken bauen». Schneider warnte in diesem Zusammenhang vor Absolutheitsansprüchen von Religionen. Der Anspruch, «Erbe und Teilhaber der absoluten Wahrheit Gottes zu sein», führe dazu, dass «zwischen den Religionen Mauern gebaut und schon bestehende Brücken eingerissen werden», erklärte Schneider. «Absolutheitsansprüche spalten unsere Gesellschaft, statt dass sie uns inspirieren, Brücken zum Anderen und gerade auch zum Fremden zu bauen.»

Die bundesweite Woche der Brüderlichkeit soll den Dialog zwischen Juden und Christen fördern. Sie wird seit 1952 jedes Jahr organisiert mit dem Ziel, zu einem friedlichen Zusammenleben der Religionen beizutragen.

Professor Abi Pitum, jüdischer Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit München-Regensburg, widersprach am Sonntagabend Bürgermeister Schmids Beobachtung von den aus München «fliehenden» Juden. «Wir wollen unsere Koffer noch lange nicht packen und weggehen», betonte er: «Wir wissen, dass wir hier willkommen sind und dass wir hierher gehören.» (epd)