Sieger Assad, Verlierer Assad - Moskau hat Syriens Herrscher gerettet

Vor zwei Jahren begannen russische Jets mit Angriffen in Syrien. Seitdem hat sich das Blatt zugunsten von Machthaber Assad gewendet. Doch Syriens Präsident bezahlt für die Macht einen hohen Preis. Von Jan Kuhlmann und Thomas Körbel

Mit einer einfachen rhetorischen Frage brachte UN-Syrien-Vermittler Staffan de Mistura Anfang des Monats die Regierungsgegner des Bürgerkriegslandes gegen sich auf. Der Diplomat machte sich vor Journalisten Gedanken über die Lage im Land und dachte dabei laut darüber nach, ob Syriens Opposition «realistisch genug sei und einsehe, dass sie den Krieg nicht gewonnen hat».

Der Aufruhr folgte prompt. Rebellen warfen de Mistura vor, er habe seine Neutralität verloren und «wie ein russischer General» geredet. Dabei hatte er nur ausgesprochen, was für Syrien-Fachleute längst ausgemacht ist: Der Bürgerkrieg ist zwar nicht vorbei, doch das Blatt hat sich zugunsten von Präsident Baschar al-Assad gewendet.

«Syriens Regierung hat den Krieg in einem größeren strategischen Sinn gewonnen», sagt Aron Lund, Syrien-Experte der Century Foundation aus New York. «Zumindest haben ihn Assads Kontrahenten verloren. Wenn auf der Regimeseite der Gleichung nichts Überraschendes mehr passiert, kann die Opposition nicht wieder auf die Füße kommen.» Sah es während des Bürgerkriegs zeitweise so aus, als stehe Assads Herrschaft kurz vor einem Ende, so kann er sich heute seiner Macht sicher sein.

Zu verdanken hat er diesen Erfolg in erster Linie seinen beiden wichtigsten Verbündeten, Russland und dem Iran. Von Teheran finanzierte Truppen kämpfen in Syrien an der Seite der Regierungstruppen, vorneweg die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah. Aber erst Moskaus Unterstützung aus der Luft hat für die entscheidende militärische Überlegenheit der Assad-Anhänger gesorgt.

Seit dem ersten Angriff russischer Jets am 30. September 2015 haben die Armee und verbündete Milizen alle zentralen Gebiete des Landes wieder unter Kontrolle gebracht. Ihr wichtigster Erfolg war die Einnahme des lange von Rebellen beherrschten Ostens der nordsyrischen Großstadt Aleppo Ende Dezember vergangenen Jahres. Auch moralisch haben sich die Rebellen bis heute von dieser Niederlage nicht erholt.

«Assad kotrolliert alle großen Städte und die meisten der wirtschaftlich produktiven urbanen und ländlichen Gebiete, wo die meisten Menschen leben», sagt Aron Lund. Diese Region wäre selbst dann dauerhaft lebensfähig, wenn die Regierungstruppen den Rest des Landes nicht einnehmen sollten. Der Opposition bleiben nur wenige Gebiete, die ohne Verbindung in unterschiedlichen Landesteilen liegen.

Auch für Russland hat sich der im Westen kritisierte Militäreinsatz in vielerlei Hinsicht gelohnt. Mit der Intervention habe Kremlchef Wladimir Putin mehrere Ziele erreicht, schreibt die Moskauer Zeitschrift «Russia in Global Affairs». Putin habe an die eigene Bevölkerung das Signal gesendet, dass er ein starker Anführer ist, und nach außen habe er gezeigt, dass Russland ein handlungsfähiger internationaler Akteur ist, der keinen Konflikt scheut.

Russlands Syrien-Politik folgt dabei einer simplen Linie: erst bomben, dann reden. Nach Monaten intensiver Luftangriffe initiierte Moskau Anfang 2017 zusammen mit dem Iran und der Türkei die Gespräche zwischen Rebellen und Regierung in Astana als Ergänzung zum festgefahrenen Friedensprozess der Vereinten Nationen.

Erst die dort vereinbarten Deeskalationszonen in mehreren Gebieten gaben den Regierungstruppen ausreichend Luft, um gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Osten Syriens vorzurücken, wo viele der für Assads Regierung lebenswichtige Öl- und Gasvorräte liegen.

Machtpolitisch hat Russland durch die Intervention seine Position in der Region gefestigt. Solange Putins Schützling Assad an der Macht bleibt, dürfte Moskaus Militärpräsenz in der Hafenstadt Tartus und in der Provinz Latakia gesichert sein. Damit ist klar, dass Russland bei Gesprächen über Syrien auch künftig mit am Tisch sitzen will. Die USA und Europa spielen ohnehin seit langem nur eine Nebenrolle.

Assads Sieg ist allerdings alles andere als strahlend. Er mag an der Macht bleiben, doch er hat gleichzeitig viel verloren. Im Norden Syriens etwa kontrolliert die Kurden-Miliz YPG den größten Teil der Grenze zur Türkei und hat dort eine Selbstverwaltung errichtet. Für die Regierung dürften diese Gebiete auf lange Zeit verloren sein.

Nach mehr als sechs Jahren Bürgerkrieg bleibt Assad zudem ein Land, dessen Wirtschaft und Infrastruktur massiv zerstört sind. Auf bis zu 200 Milliarden Dollar schätzen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) die Kosten für den Wiederaufbau - Geld, das Syrien niemals allein aufbringen kann. Auch Moskau und Teheran dürften nur begrenzt gewillt sein, dafür Finanzmittel zu geben. So könnte es Jahrzehnte dauern, bis Syriens an Rohstoffen vergleichsweise arme Volkswirtschaft das Vorkriegsniveau erreicht.

Nicht zuletzt ist Assad auch ein Großteil seiner Souveränität entglitten. Er ist stark abhängig vom Wohlwollen Russlands und des Irans, ohne deren Segen er kaum noch agieren kann. Beide Länder wollen ihn an der Macht halten, verfolgen jedoch auch unterschiedliche Interessen. Russlands Hauptziel sei es, Syrien zu stabilisieren, sagt Aron Lund. Dem Iran geht es hingegen vor allem darum, am Boden eine Verbindung zu errichten, die vom Libanon über Syrien und den Irak bis nach Teheran reicht. Hier drohen neue Spannungen, etwa mit Israel.

Noch in diesem Herbst will UN-Vermittler de Mistura die Genfer Friedensgespräche fortsetzen. Die Opposition beharrt bisher trotz allem auf ihrer Hauptforderung: Assad muss gehen. Die Regierung dürfte jedoch wie bei allen anderen fruchtlosen Verhandlungen in der Schweiz an ihrem Kurs festhalten: Über Assad wird nicht geredet. (dpa)