Russland und die Türkei suchen den Schulterschluss

Vor kurzem noch Feinde, nun wieder dicke Freunde: Kremlchef Putin und der türkische Präsident Erdogan festigen in Moskau ihr Bündnis. Das soll sie unabhängiger machen vom Westen. Von Friedemann Kohler und Thomas Körbel

Russland und die Türkei haben bei einem Gipfeltreffen in Moskau ihre wirtschaftliche und politische Kooperation vertieft. Die Türkei sei für Russland ein sehr wichtiger Partner, sagte Präsident Wladimir Putin nach Gesprächen mit seinem Kollegen Recep Tayyip Erdogan. Als Geste der Entspannung hob Russland mehrere 2015 verhängte Wirtschaftssanktionen auf.

«Russland und die Türkei haben ein solides Potenzial, (...) um auf eine neue Ebene der Zusammenarbeit zu kommen», sagte Putin am letzten Freitag. Gerade im Syrien-Konflikt sei das Zusammenspiel mit Ankara vertrauensvoll und effektiv.

Für Erdogan war es der zweite Besuch in Russland seit August 2016. Vorher hatte der Abschuss eines russischen Kampfjets durch das türkische Militär 2015 zu einem Zerwürfnis geführt. Russland erließ wirtschaftliche Strafmaßnahmen. Der Zustrom russischer Touristen in die Türkei riss fast ab. Seit Sommer 2016 stehen die Zeichen aber wieder auf Partnerschaft.

Russische Experten sagen, dass Erdogan auch wegen Spannungen mit dem Westen den Schulterschluss mit Moskau suche. Russland und die Türkei wollten ihre Zusammenarbeit fortsetzen, auch wenn dies «nicht allen Kreisen» gefalle, sagte Erdogan bei einer im TV übertragenen Pressekonferenz. Ankara erwarte aber, dass Moskau bald alle wirtschaftlichen Beschränkungen aufhebe.

Die russische Regierung lockerte am Freitag ein Einfuhrverbot für Obst und Gemüse. So darf die Türkei wieder Zwiebeln, Blumenkohl und Brokkoli liefern. Tomaten, ein wichtiger türkischer Exportartikel, bleiben aber verboten. Russland werde bald wieder Arbeitsvisa für türkische Bauarbeiter erteilen, kündigte Putin an. Erdogan sagte russischen Touristen völlige Sicherheit für ihren Urlaub zu.

Putin sprach sich dafür aus, den Syrienkrieg mit Hilfe mehrerer «ernstzunehmender Spieler» zu beenden - auch der USA. Es sei eine gemeinsame Aufgabe, die territoriale Ganzheit Syriens wie auch des Iraks zu erhalten, sagte Erdogan. Russland und die Türkei treten in Syrien als Garantiemächte für eine Ende Dezember vermittelte Waffenruhe auf. Sie haben auch in Kasachstan Gespräche zwischen syrischen Regierungs- und Oppositionsvertretern vermittelt. Eine neue Runde soll kommenden Dienstag und Mittwoch (14./15.3.) beginnen.

Erdogan betonte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, es sei wichtig, Geschlossenheit beim Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) und andere Milizen in Syrien zu zeigen. «In dieser Hinsicht erwarten wir besonders, dass die PYD, die der Arm der PKK in Syrien ist, ihre Aktivitäten in Moskau beendet.»

Die Kurdenpartei PYD ist der syrische Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die Türkei betrachtet die PYD als Terrororganisation. In der Krise mit der Türkei hatte Moskau der PYD die Eröffnung eines eigenen Büros erlaubt.

Energie sei der wichtigste Bereich der Kooperation, sagte Putin. Russland will die Gasfernleitung Turkish Stream durch das Schwarze Meer und das Kernkraftwerk Akkuyu im Süden der Türkei bauen. Über Turkish Stream will Russland Erdgas auch nach Südeuropa verkaufen.

Der Politologe Amur Gadschijew von der russischen Akademie der Wissenschaften wertete Erdogans Besuch auch als Signal an den Westen. «Die Türkei will nicht mehr die Rolle des Staates im Hinterhof Europas spielen.» Mit einer stärkeren Orientierung an Russland wolle die Türkei dem Druck aus Brüssel ausweichen. (dpa)