Kritik von Christen und Appelle vor Merkels Nordafrika-Reise

Christen in Ägypten kritisieren die Video-Botschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihrer am Donnerstag beginnenden Nordafrika-Reise nach Ägypten und Tunesien. "Was will die Kanzlerin mit einem solchen Kniefall?", sagte Pfarrer Joachim Schroedel der "Bild"-Zeitung (Donnerstag). Auch Merkels Einschätzung zur Situation der Christen im Land widersprach der katholische Geistliche, der seit mehr als 20 Jahren als Seelsorger in Ägypten arbeitet.

Schroedel hält es vor allem für falsch, dass Merkel das Land, das im Inneren ums Überleben kämpfe, als "stabilisierendes Element" im Norden Afrikas und im Nahen Osten bezeichnet hatte. Es gebe starken Druck auf Nichtregierungsorganisationen, eine Beschränkung der Meinungsfreiheit und Drohungen gegen Journalisten, so Schroedel.

Kritisch sieht er auch Merkels Analyse zur Lage der Christen im Land. Vor allem die koptischen Christen hätten "eine sehr gute Situation für die Ausübung ihrer Religion", hatte Merkel gesagt: "Seitens der Regierung wird hier Unterstützung geleistet. Und gerade in einem muslimisch geprägten Land ist das auch beispielhaft."

Schroedel verwies dagegen auf den Anschlag im Dezember, bei dem 27 Christen in einer Kirche auf dem Gelände das koptisch-orthodoxen Patriarchates in Kairo starben. Immer wieder seien Christen durch IS- Terroristen getötet worden. Überhaupt würden Christen als "Menschen zweiter Klasse" behandelt.

Im Vorfeld der Reise haben zahlreiche Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen an die Bundeskanzlerin appelliert, Menschenrechtsthemen deutlich anzusprechen. Die autoritäre Regierung Ägyptens missachte menschenrechtliche Standards im Umgang mit der eigenen Bevölkerung und mit Flüchtlingen, mahnte etwa das Hilfswerk Brot für die Welt. Auch die etwa neun Millionen Angehörigen der koptisch-christlichen Minderheit fühlten sich von Polizei und Militär im Stich gelassen und müssten besser geschützt werden.

Caritas-Präsident Peter Neher äußerte sich skeptisch zum Vorschlag von Auffanglagern für Flüchtlinge in Nordafrika. Ob mit Blick auf menschenrechtliche Standards eine solche Zusammenarbeit denkbar sei, sei zweifelhaft. Unter keinen Umständen dürfe die EU mit solchen Lagern die Verantwortung für Flüchtlinge an Nordafrika abgeben.

Das Kinderhilfswerk "terre des hommes" appellierte an Merkel, "die Pläne zur Kasernierung von Flüchtlingen außerhalb des Hoheitsgebietes der EU nicht weiter zu verfolgen". Amnesty International forderte dazu auf, deutlich zu machen, dass eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit Deutschland nur denkbar sei, wenn die Menschenrechte geachtet würden.

Am Donnerstag trifft Merkel unter anderem Ägyptens Präsident al-Sisi und in der koptischen Markus-Kathedrale den Papst von Alexandrien und Patriarchen des Heiligen Stuhls, Papst-Patriarch Tawadros II. Am Freitag besucht die Kanzlerin Tunesien. In den Gesprächen soll es vor allem um den Kampf gegen Schlepper und um die Flucht über das Mittelmeer gehen. (KNA)