Islamischer Staat bekennt sich zu Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt

Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat sich zu dem Anschlag mit mindestens zwölf Toten auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin bekannt. Die Tat sei von einem "Soldaten des Islamischen Staats" verübt worden, erklärte der IS am Dienstagabend. Der Täter war zu dem Zeitpunkt offenbar weiter auf freiem Fuß, ein festgenommener Verdächtiger wurde zuvor freigelassen. Die Hauptstadt trauerte um die Opfer.

"Es ist in der Tat so, dass nicht auszuschließen ist, dass der Täter flüchtig ist", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstagabend im ZDF. Der Generalbundesanwalt hatte zuvor mitgeteilt, dass ein am Montagabend nach dem Anschlag festgenommener Pakistaner wieder freigelassen wurde. "Die bisherigen Ermittlungsergebnisse ergaben keinen dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten." Der Mann wurde aufgrund von Augenzeugenberichten verdächtigt, der Fahrer des bei dem Anschlag eingesetzten Lkw zu sein.

Auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche nahe des Kurfürstendamms waren am Montag elf Menschen getötet und 45 weitere zum Teil schwer verletzt worden, als ein Lkw in die Menge raste. Außerdem wurde ein Pole tot in dem Fahrzeug gefunden. Bei ihm soll es sich um den ursprünglichen Fahrer des Lastwagens handeln. Er wurde erschossen, sein Fahrzeug anscheinend gestohlen. 24 der Verletzten wurden am Dienstag aus dem Krankenhaus entlassen. De Maizère zufolge befanden sich am Abend noch 14 Schwerverletzte in Lebensgefahr.

In dem ZDF-Interview wollte sich der Bundesinnenminister nicht eindeutig auf einen islamistischen Hintergrund der Tat festlegen. Wenige Minuten später beanspruchte der Islamische Staat den Anschlag für sich.

Der IS hatte sich auch zu dem Axt-Angriff eines 17-jährigen Flüchtlings in einem Regionalzug bei Würzburg im Juli bekannt. Es war das erste Mal, dass der IS einen Anschlag in Deutschland für sich beanspruchte.

Der Täter sei dem Aufruf gefolgt, die Staaten der Anti-IS-Koalition anzugreifen, die den IS in Syrien und im Irak bekämpft, teilte der IS am Dienstag über sein Sprachrohr Amaq mit. Die Bundeswehr beteiligt sich am internationalen Einsatz gegen den IS. Die Erklärung wurde etwa 24 Stunden nach der Tat veröffentlicht. Die Identität des Täters wurde darin nicht genannt.

Im Verlauf des Tages waren bereits Zweifel daran aufgekommen, ob der am Montagabend in Tatortnähe festgenommene Pakistaner der Täter sein könnte. Dem Generalbundesanwalt teilte dann am Abend mit, dass es keine Beweise für einen Aufenthalt des Mannes im Führerhaus des Lkw gebe.

Der Täter dürfte damit auf freiem Fuß sein. Laut de Maizière verfolgen die Ermittler aber weitere Fahndungsansätze. "Deswegen bin ich nicht ganz ohne Optimismus, dass es Fortschritte bei den Ermittlungen gibt", sagte er.

Die Hauptstadt stand am Dienstag im Zeichen der Trauer um die Opfer. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) besuchten am Nachmittag den Ort des Anschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz und legten dort Blumen nieder. Die Kanzlerin äußerte sich "entsetzt, erschüttert und tief traurig" über die Geschehnisse. Bundespräsident Joachim Gauck rief die Deutschen zum Zusammenhalt auf. "Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen", sagte er.

Zum Gedenken an die Opfer wurde am Dienstagabend das Brandenburger Tor in den Deutschlandfarben angestrahlt. Das Wahrzeichen der Hauptstadt solle ein Ort sein, "an dem man seine Trauer und Solidarität ausdrücken kann", sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Nach Anschlägen etwa in Frankreich und Belgien hatte das Brandenburger Tor in der Vergangenheit in den Nationalfarben der betroffenen Länder geleuchtet. In der Gedächtniskirche fand ein Gedenkgottesdienst statt, an dem neben den christlichen Kirchen auch Repräsentanten der in Deutschland lebenden Muslime und Juden teilnahmen.

Die Innenminister von Bund und Ländern verständigten sich in einer Videokonferenz darauf, dass trotz des Anschlags die Weihnachtsmärkte in Deutschland weiter stattfinden sollen. Allerdings wurden zusätzliche, lageangepasste Sicherheitsvorkehrungen verabredet. (AFP)

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