Kopftuch verboten - Wie der Hidschab in Ägypten zum No-Go wird

Wer Stewardess werden möchte, sollte es nicht tragen. Wer in Kairo in bestimmten Restaurants essen oder in Clubs feiern will, auch nicht. Das Kopftuch entwickelt sich in Teilen der muslimisch geprägten Gesellschaft zur Bürde. Doch auch ohne gibt es Diskriminierung. Von Benno Schwinghammer

Als Nermine Hassan Sajed vor einigen Tagen mit einer Freundin in Kairos teurem Stadtteil Zamalek essen gehen wollte, wurde sie abgewiesen. «Der Mann an der Tür sagte, das Restaurant sei voll», erzählt die Lehrerin. Es war offensichtlich, dass das nicht stimmte.

Der Grund war ein anderer. Einer, der selbst im konservativen Ägypten in einigen sozialen Schichten ein zunehmendes Problem für Muslima wird: Sayed trägt ein Kopftuch. Es sei ihr natürlich unangenehm gewesen, sagt die 29-Jährige. Aber so richtig verstehen kann sie nicht, warum ihr - einer Muslimin in einem islamisch geprägten Land - der Eintritt verboten ist. Das Restaurant ist beliebt in der Film- und Werbeszene. Auch viele Ausländer treffen sich hier zum Pasta essen und Bier trinken. «Vielleicht befürchten sie, ich würde in der Mitte des Restaurants anfangen zu beten», sagt Sajed und lacht.

Das Restaurant in Zamalek ist kein Einzelfall. In Ägyptens Hauptstadt Kairo hat sich in Kreisen der oberen Mittel- sowie Oberschicht eine Kultur entwickelt, in der sich Frauen, die Kopftuch - auch Hidschab genannt - tragen, benachteiligt und diskriminiert fühlen.

«Ich wurde niemals in meinem ganzen Leben, in irgendeinem Land auf der Welt, für mein Kopftuch so verspottet wie in meinem eigenen Land», sagt Samar Sami. Die ägyptische Embryologin beschreibt in ihrem Blog, wie sie aus dem Luxushotel Vierjahreszeiten herausgeschmissen wurde. Die Bedienung habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass sie gehen müsse, da die Bar gleich öffne: «Weil sie nicht hier sein können, wenn die Leute trinken», hieß es zur Erklärung. 

16 Jahre habe sie in Irland gelebt, niemals sei sie wegen ihres Kopftuches aus einem Pub geschmissen worden - auch wenn sie kein Alkohol getrunken habe, meint Sami. Heute dagegen, wo Frauen wie sie in vielen Bars, Clubs und auch Pools der Privilegierten in Ägypten unerwünscht sind, werde sie von Kollegen gefragt, warum sie immer noch einen Hidschab trage. Dies sei doch «so letztes Jahrhundert».

Dabei stimmt das so gar nicht. In der ehemaligen englischen Kolonie gab es Mitte des vergangen Jahrhunderts eine Zeit, in der so gut wie niemand Kopftuch trug. In einem alten Video verkündet der erste ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser, der das Land von 1954 bis 1970 regierte, dass der Führer der islamistischen Muslimbrüder von ihm verlangt habe, das jede Frau ein Kopftuch anlege. Gelächter im Saal. Und dann der Zwischenruf eines Mannes: «Lass es ihn doch tragen!». Jetzt lacht auch der Staatschef.  

Doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte der Hidschab in Ägypten eine Renaissance, auch bedingt durch den steigenden Einfluss der ultrakonservativen Ölmonarchie Saudi-Arabien. Heute ist das Kopftuch in Ägypten wieder allgegenwärtig, vor allem in mittleren und unteren Gesellschaftsschichten sowie auf dem Land.

Doch unter den Ärzten, Unternehmern und Juristen des Landes gilt die Kopfbedeckung oft nicht mehr als zeitgemäß, gewissermaßen als uncool. Sie passt nicht in angesagten Locations: «Es geht nicht darum, dass man religiös ist, sondern um das Image, dass die Clubs, Bars und Restaurant von sich selbst erzeugen wollen», sagt die Zahnärztin Salma Talaat. Man wolle westlich sein in der ägyptischen Oberschicht.

Und nicht nur dort. Auch einige Jobs in der arabischen Welt sind mit Hidschab unerreichbar. Mit Ausnahme der staatlichen saudischen Airline dürfen Stewardessen bei Emirates, Qatar Airways oder Egyptair die Kopfbedeckung nicht tragen. Die Stellungnahme von Emirates dazu fällt dürftig aus. Alle Mitarbeiter, einschließlich der Flugbegleiter, müssten sich an Image und Uniform-Standards halten, wenn sie im Dienst sind, lässt das Unternehmen mit Sitz in Dubai mitteilen.

Samar Sami erzählt, dass auch Freundinnen von ihr, die in Unternehmen wie Banken arbeiten, Probleme hatten. Diejenigen, die Kopftuch trugen, wurden weniger schnell befördert als die Anderen. Einige entschieden sich deshalb dazu, es abzulegen: «Es wurde dann besser, weil sie attraktiver aussahen».

Doch es sind nicht nur die Frauen, die den Hidschab tragen, die benachteiligt werden - sondern auch und vor allem die Wenigen, die ihn abgelegt haben. Zahnärztin Talaat trägt kein Kopftuch, und das bekam sie schon mehrfach im Alltag vorgehalten. Als sie für einen Studienplatz interviewt wurde, ging es nicht um ihre Qualifikation. Der Mann hinter dem Schreibtisch habe zu ihr gesagt: «Ich frage nicht weiter, weil Sie eine Muslimin sind, aber kein Kopftuch tragen.» (dpa)