Erdogan will Votum des EU-Parlaments zu Beitrittsgesprächen nicht anerkennen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bereits vor dem Votum im Europaparlament zu den Beitrittsgesprächen mit Ankara angekündigt, er werde dessen Ergebnis nicht anzuerkennen. "Diese Abstimmung hat überhaupt keinen Wert, egal welches Ergebnis herauskommt", sagte Erdogan am Mittwoch bei einem Treffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Istanbul. Es sei ihm "unmöglich, die Botschaft zu verdauen", die das Parlament aussenden wolle.

Sprecher aller maßgeblichen Fraktionen im Europaparlament hatten am Dienstag ein Einfrieren der Beitrittsgespräche mit der Türkei gefordert. Sie begründeten dies mit dem Vorgehen der türkischen Führung gegen ihre vermeintlichen Gegner nach dem Putschversuch Mitte Juli.

Die Fraktionen wollen nun einen gemeinsamen Entschließungsantrag erarbeiten. Die Abstimmung darüber ist für Donnerstag geplant. Eine breite Zustimmung des Plenums gilt als sicher, rechtlich bindend ist das Votum aber nicht.

Erdogan sagte dazu am Mittwoch, das Votum der Abgeordneten werde "den Kampf dieses Landes für Unabhängigkeit und seine Zukunft nicht unterbrechen". Die Abstimmung beweise, dass die EU auf der Seite von "Terrororganisationen" stehe. Seit 2005 gibt es offizielle EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. Das Verhältnis hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert.

Erdogan warf der EU vor, Zusagen nicht eingehalten zu haben, und rief islamische Länder auf, sich im Kampf gegen die "Doppelstandards" des Westens zu vereinen. Jeder politische Führer, der Kritik am Westen äußere, werde als "Diktator" bezeichnet. Immer wenn der Westen also jemanden "Diktator" nenne, sei das in seinen Augen "jemand Gutes".

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sieht die EU-Beziehungen zur Türkei am Scheideweg. "Die Türkei selbst steht an einer Weggabelung", sagte Mogherini am Dienstag in Straßburg. Sie forderte Klarheit von den türkischen Partnern, was sie wollen. Eine Mitgliedschaft bedeute, Werte zu teilen, und die derzeit von der Regierung Erdogan erwogene Todesstrafe gehöre nicht zu diesen Werten.

Zudem betonte die EU-Außenbeauftragte die wichtige Rolle des Europarates als Vermittlungsforum. Die Türkei sowie die EU-Länder sind Mitglied im Europarat. Sie hoffe, dass die Türkei auf die Bedenken des Europarat-Menschenrechtskommissars, Nils Muiznieks, eingehe.

Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, sprach sich für ein Einfrieren der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus. "Ein weiter so kann es nicht geben", sagte er. Weber betonte jedoch, dass die Gespräche nur "eingefroren", nicht abgebrochen werden sollten. Er sagte allerdings auch: "Wer die Einführung der Todesstrafe beschließt, kann nicht Mitglied der Europäischen Union werden."

Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Gianni Pittella, betonte, dass die Türkei aus geopolitischen und religiösen Gründen ein "unabdingbarer Partner" der EU sei. Die Sozialdemokraten ließen sich jedoch auch nicht "erpressen", wenn es um die Werte der Demokratie und die Achtung der Menschenrechte gehe. (AFP/KNA)

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