Islamunterricht an deutschen Schulen: Flickenteppich oder Flickschusterei?

Während der Sommerferien war er wieder einmal zu vernehmen: der Ruf nach einem flächendeckenden islamischen Religionsunterricht in Deutschland. Wie sieht die Lage aus, zum Start ins neue Schuljahr?

Zuletzt forderte der Deutsche Städte- und Gemeindebund die bundesweite Einführung von islamischem Religionsunterricht. Dadurch könne der Staat mehr Kontrolle über die Erziehung muslimischer Jugendlicher gewinnen, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg Ende Juli der "Rheinischen Post". Ähnlich äußerten sich in den vergangenen Wochen der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Zentralrat der Juden in Deutschland.

Die Forderungen gewinnen an Dringlichkeit vor dem Hintergrund immer neuer Anschläge, die fanatisierte junge Menschen im Namen des Islam begehen. Bernd Ridwan Bauknecht, Lehrer für islamische Religion in Bonn, sieht die Schule als ersten Ort, um Heranwachsende gegen radikales Gedankengut immun zu machen, das vornehmlich via Internet verbreitet werde. "Dem stellen wir uns entgegen - tagtäglich." Leider werde das immer noch zu selten wahrgenommen.

Immerhin: In sechs Bundesländern gibt es inzwischen einen solchen Unterricht. Das Spektrum ist groß: In Nordrhein-Westfalen, das 2012/2013 den Anfang machte, arbeiten sie inzwischen an Lehrplänen für die Oberstufe. Im Saarland startete 2015/2016 ein Modellversuch an vier Grundschulen mit insgesamt 60 Schülern. Irgendwo dazwischen liegen Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz. In Bayern gibt es seit dem Schuljahr 2009/2010 einen eigenen "Islamischen Unterricht", der dem Religionsunterricht in den anderen genannten Ländern nahekommt. Daran nehmen derzeit rund 12.000 Schüler teil.

Wie hoch ist aber der tatsächliche Bedarf? Absolute Zahlen zu muslimischen Schülern in der Bundesrepublik sind schwer zu ermitteln - auch vor dem Hintergrund der vielen Flüchtlinge aus islamischen Ländern, die in der jüngsten Vergangenheit nach Deutschland kamen. Das Statistische Bundesamt hält dazu jedenfalls keine Daten vor.

Es bleiben Einzelbeispiele und Schätzungen, um die Situation zu veranschaulichen. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen etwa sollen 260.000 muslimische Schüler leben; am islamischen Religionsunterricht nahmen 2015/2016 gerade einmal 13.700 von ihnen teil, das wäre jeder 19. Jugendliche. Bayern erreicht laut Informationen aus dem dortigen Kultusministerium jeden fünften Schüler - an den staatlichen Grund- und Mittelschulen. Von den Realschulen und Gymnasien beteiligen sich bislang nur vier beziehungsweise zwei Schulen an dem Projekt.

Kritiker mögen vor dem Hintergrund mancher Sonntagsreden zu Integration und Prävention einwenden, dass das alles viel zu wenig ist. Aber dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Länder für die Einführung eines solchen Angebots einen Ansprechpartner aufseiten der Muslime brauchen, der die grundgesetzlich vorgeschrieben Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft erfüllt. Genau da wird es knifflig. Nordrhein-Westfalen gehört zu den Ländern, die sich mit einer Übergangslösung beholfen haben: einem Beirat, der darüber befinden soll, was im Unterricht gelehrt wird und welche Lehrer unterrichten.

Vom explizit bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht zu unterscheiden sind Angebote wie Islamkunde - oft im Rahmen des muttersprachlichen Unterrichts - oder Ethikunterricht. Davon abgesehen ist in Berlin, Brandenburg und Bremen Religionsunterricht kein ordentliches Lehrfach und untersteht nicht der staatlichen Schulaufsicht. In Hamburg gibt es einen "Religionsunterricht für alle". Aus dem Thüringer Bildungsministerium heißt es auf Anfrage, ein Bedarf für islamischen Religionsunterricht sei "bisher nicht angemeldet worden".

Mit Blick auf das belastete Verhältnis zur Türkei sorgten sich zuletzt Politiker, dass dem türkischen Staat nahe stehende Organisationen wie die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) zu viel Einfluss auf deutsche Schulen erhalten. Grünen-Chef Cem Özdemir beispielsweise warnte davor, mit der Ditib Verträge über islamischen Religionsunterricht zu schließen. Andernfalls transportiere man die Ideologie von Präsident Recep Tayyip Erdogan in die Klassenzimmer.

Starke Worte. In den Beiräten in Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg sitzen längst schon Ditib-Vertreter. Rheinland-Pfalz kündigte am Montag an, die Verhandlungen mit der Ditib zu prüfen: "Wir werden nicht zulassen, dass innenpolitische Konflikte aus der Türkei in Rheinland-Pfalz ausgetragen werden", so Regierungschefin Malu Dreyer (SPD). (KNA)