Stadtbau für drusische Minderheit in Israel: Auf dem Schlachtfeld der Kreuzfahrer droht ein neues Gefecht

Saladin, Napoleon und jetzt auch Netanjahu? Der Beschluss der israelischen Regierung, ausgerechnet am Ort der Entscheidungsschlacht zwischen den christlichen Kreuzfahrern und dem islamischen Sultan Saladin, wo sechs Jahrhunderte später auch Napoleon focht, eine neue Stadt zu gründen, kommt nun selbst unter schweren Beschuss. Gelehrte, Landwirte und selbst Vertreter der Drusen, der eigentlichen Nutznießer, kritisieren den Plan von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Vor allem machen sie geltend, dass der vom Regierungschef vorangetriebene Bau einer Stadt für die wachsende drusische Minderheit das archäologische Erbe und die historische Naturlandschaft rund um den Hügel in Nordisrael gefährdet, der als Hörner von Hattin bekannt ist und bei der Unesco als Weltkulturerbe angemeldet wurde. Doch der Nationale Rat für Planung und Bau genehmigte im Januar diese Planungen.

"Die Errichtung einer neuen Stadt für die Drusen hat für mich hohe Priorität", warb Netanjahu für sein Projekt. Die ethno-religiöse Minderheit hatte sich vor genau 999 Jahren in Kairo vom schiitischen Islam abgespalten und lebt heute vor allem in Syrien, dem Libanon und in Galiläa im Norden Israels. 

Die 110.000 israelischen Drusen dort wohnen auf engem Raum in 18 Gemeinden mit wenig Infrastruktur. Da sie seit der Gründung Israels loyal, oft als Berufssoldaten, dem neuen Staat dienten, will Netanjahu sie mit einer modernen, urbanen Ortschaft auf den westlichen Höhen über dem See Genezareth belohnen.

Doch namhafte Drusen-Führer fürchten, dass dieser Standort sie in Konflikt mit einer anderen Minderheit bringen könnte. Denn auch wenn die 400 Wohneinheiten der ersten Baustufe ausschließlich auf Staatsland liegen, sollen 2500 Wohnungen in der zweiten Ausbauphase auf Feldern errichtet werden, die bis 1948 von den Bauern der benachbarten Palästinenserdörfer Hattin und Namarin bewirtschaftet wurden, die zu Flüchtlingen wurden.

"Kein Druse ist bereit, auf dem Land eines anderen zu leben", sagt der drusische Politiker Saleh Tarif, ein früherer Minister für die heute oppositionelle Arbeitspartei. "Wir wollen uns nicht nachsagen lassen, dass wir uns das Land von Leuten angeeignet haben, die ins Exil gezwungen wurden", erklärt er im Gespräch mit AFP.

Rafik Halabi, Ratsvorsitzender in der größten drusischen Ortschaft Dalijat al-Karmel, macht geltend: "Das Verhältnis zwischen Drusen und Palästinensern ist doch schon heute arg angespannt."

Starke weitere Vorbehalte gegen den Standort werden wegen der Nähe zu den berühmten Zwillingsgipfeln laut, die als Hörner von Hattin in die Geschichtsbücher eingingen. Hier wurde das Heer des Kreuzfahrerkönigs Guy de Lusignan 1187 von Saladin so vernichtend geschlagen, dass der muslimische Heerführer kurz darauf auch in Jerusalem einziehen konnte und die 88-jährige Kreuzfahrerherrschaft im Heiligen Land beendete.

Genadi Nischnik-Kolomichuk vom "Königreich-Jerusalem-Klub", der jährlich die Schlacht aufwändig nachstellt, errichtete mit seinen "Truppen" kürzlich in historischer Ausrüstung ein Protestcamp vor Netanjahus Residenz. "Das ist einfach ein strategischer Ort, weshalb Napoleon hier 1799 gleich zweimal gegen die osmanische Armee antrat", sagt er. Auch wenn der kleine Nationalpark auf der Hügelkuppe erhalten bleibe, seien doch auch die Hänge und die gesamte Umgebung schützenswert.

Schützenhilfe bekommen die Historienfans vom jüdischen Kibbuz Lavi, der an das auserkorene Baugebiet angrenzt. Nati Rosenzweig, der dort Vieh des religiös orientierten Kibbuz weiden lässt, klagt: "Niemand hat es für nötig befunden, mit uns hier in Lavi zu sprechen. Dabei leben wir hier und fühlen uns mit der Geschichte des Orts eng verbunden."

Auch Rosenzweig gibt zu bedenken: "Nicht nur die Hörner von Hattin selbst, sondern das ganze Gebiet ist archäologisch äußerst bedeutend. Auch alte römische Straßen verlaufen durch das Gelände." Doch trotz all dieser Bedenken hält Netanjahu bisher eisern an seinen Plänen fest. (AFP)

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