Iranischer Frühling: Parlamentswahl entscheidet über politischen Kurs

Die Parlamentswahl ist nach dem Atomabkommen der erste politische Stimmungstest im Iran. Die Wahlergebnisse werden zeigen, wo es langfristig hingeht in der Islamischen Republik. Von Farshid Motahari

Mit dem Atomabkommen hat sich der Iran aus der internationalen Isolation und von den lähmenden Sanktionen befreit. Auf einmal ist der einstige Schurkenstaat auch Partner des Westens bei internationalen Krisen wie in Syrien. «Wir haben der Welt bewiesen, dass wir keine Gefahr, sondern ein zuverlässiger Partner sind», sagt Präsident Hassan Rohani, der Architekt der neuen Reformbewegung im Iran.

Noch ist der Kurs aber nicht gefestigt. Rohani hat viele Kritiker, besonders im Parlament, das seit drei Legislaturperioden von Konservativen und Hardlinern dominiert wird. Aber schon bei der Parlamentswahl am 26. Februar könnte der Präsident viele dieser Kritiker loswerden. Das Atomabkommen und insbesondere die Aufhebung des Wirtschaftsembargos hat im Land für gute Stimmung gesorgt. Auch der Zeitpunkt der Umsetzung - sechs Wochen vor der Wahl – passte perfekt in den Wahlplan Rohanis und der Reformer.

Bei der Parlamentswahl zeichnet sich ein Dreikampf zwischen Konservativen, Hardlinern und Reformern ab. Die fast zwölfjährige Koalition aus Konservativen und Hardlinern - die auch mal dem ehemaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad nahestanden - war in den letzten Jahren aber alles andere als harmonisch. Das macht die Reformer zuversichtlich.

«Was wir 2013 (mit Rohanis Wahlsieg) geschafft haben, könnten wir bei der Parlamentswahl erneut schaffen», sagt Mohammed-Reza Aref, der Spitzenkandidat der Reformer. Aber auch bei den Reformern soll es Zoff geben. Da stehen Realpolitiker wie Rohani und Aref – die lediglich Reformen innerhalb des Systems wollen - dem radikalen Flügel gegenüber. «Die wollen von der Islamischen Republik mehr Republik und weniger Islam», sagt ein Politologe in Teheran.

Entscheidend wird laut Beobachtern sein, ob sich die moderaten Flügel der Konservativen - angeführt von Parlamentspräsident Ali Laridschani - und der Reformer um Spitzenkandidat Aref auf eine Koalition einigen können. Erste Sondierungsgespräche soll es bereits gegeben haben. Diese Koalition könnte besonders die politische Existenz der Hardliner gefährden.

«Das würde die Hardliner für eine lange Zeit ins politische Abseits befördern», so der Politologe. Einfache Mathematik belegt diese These: bei einem Sieg der Reformer und moderaten Konservativen wäre die Wiederwahl Rohanis 2017 so gut wie sicher - und die Hardliner wären bis 2021 weg von der politischen Bühne.

Anfang Februar sah es für die Hardliner noch gut aus. Der Wächterrat, ein erzkonservatives Kontrollgremium, disqualifizierte angeblich 99 Prozent der Reformkandidaten. Das führte aber zu Protesten, auch seitens Rohani. «Wir wollen keine im voraus geplante und orchestrierte Wahl», warnte er. Mit Erfolg. Die Ablehnung von über 1.400 Reformern wurde vom Rat revidiert und ermöglichte ihnen wieder eine realistische Chance, die Mehrheit der 290 Sitze zu ergattern.

Dabei ist eine hohe Beteiligung der fast 55 Millionen Wahlberechtigten eine wichtige Voraussetzung, wie schon 2013 bei der Präsidentschaftswahl. Ansonsten dürften laut Aref die Hardliner gewinnen, denn deren Anhänger nehmen auf jeden Fall an der Wahl teil. In dem Fall, warnt er, könnte auch Rohanis Amtszeit und somit der iranische Frühling schon 2017 beendet sein.

Daher appelliert Rohani auch an die stille Mehrheit im Land, der das Ganze ziemlich egal ist und meistens am Wahltag zuhause bleibt. Auch ihnen gehöre das Land, sagt Rohani. Und auch sie sollten mithelfen, das Land politisch zu erneuern. «Lasst uns mit unserer Stimme dem Extremismus eine Abfuhr erteilen», fordert der Präsident. (dpa)