Steinmeier für Beteiligung von Islamisten an Syrien-Gesprächen

Zur Rettung der Syrien-Friedensgespräche will Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auch Vertreter islamistischer Rebellengruppen an den Tisch bitten. "Wo sollen denn nach mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg, extremer Gewalt und um sich greifender Verrohung die gemäßigten Kreise herkommen?", fragte Steinmeier in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zur Begründung seines Vorstoßes. Wegen des Streits der Konfliktparteien und der involvierten Länder über die Delegationen dürfte sich der für Montag geplante Auftakt der Verhandlungen verzögern.

Im Streit über die Teilnehmer der anstehenden Syrienverhandlungen hat sich auch Norbert Röttgen (CDU) für eine Beteiligung islamistischer Rebellen ausgesprochen. Wenn man ein relevantes Verhandlungsergebnis wolle, dann müsse man mit denjenigen reden, die vor Ort Macht ausübten, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag am Montag im Deutschlandfunk. "Das ist keine Anerkennung von diesen Gruppen im Sinne ihrer Werte, aber es ist eine Respektierung ihrer Macht", sagte Röttgen.

Eigentlich sollten Vertreter von Staatschef Baschar al-Assad und seiner Gegner ab Montag im schweizerischen Genf unter UN-Vermittlung über einen Fahrplan zum Frieden verhandeln. Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, kündigte aber an, dass der Termin "wahrscheinlich" nicht zu halten sei. Eine "technische Verzögerung" wäre "kein Beinbruch", hieß es dazu am Wochenende aus dem Auswärtigen Amt - solange "das Momentum für eine Einigung nur nicht verloren geht".

"Natürlich gehören keine Terroristen und islamistischen Extremisten an den Tisch, die eine politische Lösung ja nur sabotieren wollen", erläuterte Steinmeier der "FAS". Nötig sei aber "eine Allianz all derjenigen, die ihren Teil der syrischen Gesellschaft vertreten, die de facto Macht ausüben, die Grundsätze des Wiener Prozesses respektieren und dafür bereit sind, ihren Kampf untereinander im Zuge der Genfer Verhandlungen einzustellen".

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour kritisierte Steinmeiers Vorstoß als zu "vage", der Außenminister müsse schon sagen, wen er genau an den Tisch bitten wolle. "Wie schätzt Steinmeier beispielsweise die von Saudi-Arabien finanzierte Ahrar al-Scham ein?", fragte Nouripour.

Die in den Syrien-Konflikt involvierten Staaten haben teils völlig gegensätzliche Vorstellungen, welche Gruppen die Bürgerkriegsparteien vertreten sollen. Während Saudi-Arabien die radikalislamische Ahrar al-Scham dabei haben will, dringt Russland auf moderate Oppositionsgruppen, die von Assad akzeptiert werden. Die Türkei lehnt die Teilnahme kurdischer Milizen ab, die der Westen als wichtige Verbündete im Kampf gegen Dschihadisten sieht.

Assads Truppen eroberten unterdessen am Sonntag das letzte Dorf in der Küstenprovinz Latakia von den Rebellen zurück. Die Streitkräfte hätten gemeinsam mit einer regierungstreuen Miliz das Dorf Rabia eingenommen, meldete das Staatsfernsehen. Teile der Küstenprovinz Latakia im Westen Syriens waren in den vergangenen Jahren von verschiedenen Rebellengruppen erobert worden. In den vergangenen Monaten drängten die Armee und verbündete Milizen die Rebellen aber zunehmend zurück.

Rabia war seit 2012 in der Hand von Rebellen, darunter syrische Turkmenen sowie Kämpfer der Dschihadistengruppe Al-Nusra-Front. Bei der Rückeroberung wurden die Assad-Truppen von russischen Kampfflugzeugen unterstützt, die seit Ende September auf einer Militärbasis bei Latakia stationiert sind.

Bei Bombardierungen der russischen Luftwaffe im Osten Syriens wurden nach Angaben von Aktivisten am Wochenende mehr als 90 Zivilisten getötet. Nach 44 Toten bei einem Angriff nahe Deir Az-Zohr am Freitag seien am Samstag 47 Zivilisten in der Ortschaft Chascham getötet worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Unter den Opfern seien neun Kinder und zwei Frauen. Die Angaben der oppositionsnahen Organisation waren von unabhängiger Seite zunächst nicht zu überprüfen.

Der jordanische Grenzschutz erschoss an der Grenze zu Syrien zwölf Menschen, die aus dem Bürgerkriegsland einreisen wollten. Es habe gewaltsame Zusammenstöße mit einer 36-köpfigen Gruppe von Einreisewilligen gegeben, von denen einige Waffen bei sich gehabt hätten, teilte das Militär am Samstag mit. Zudem sei eine große Menge Rauschgifts beschlagnahmt worden. (AFP/dpa)

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