Islamismusexperte Gilles Kepel: Europa tut zu wenig gegen Dschihadismus

Der französische Islamismusexperte Gilles Kepel (60) hat die europäischen Staaten angesichts der Flüchtlingskrise vor mangelnder Konsequenz im «Kampf gegen den Dschihadismus» gewarnt. Obwohl die Attentäter vom 13. November den Geheimdiensten bekannt gewesen seien, seien sie durch Belgien gereist. «Wenn die durch Belgien reisen, können sie auch nach Deutschland oder sonst wohin», sagte der Politikwissenschaftler der «Welt am Sonntag». Er kritisierte «Schwächen der Europäischen Union», die «keine gemeinsame Politik hat und bei den Geheimdiensten nicht ausreichend kooperiert».

Kepel wirft den Sicherheitsbehörden zudem vor, den Übergang zur «dritten Generation der Dschihadisten» nicht verstanden zu haben. Diese wirke, anders als der «hierarchische Dschihadismus» des Osama bin Laden, von unten nach oben. Die Extremisten wollten erreichen, dass sich die jungen europäischen Muslime «aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund von Fremdenfeindlichkeit» gegen die europäischen Staaten erhöben. «Sie sollen im Inneren dieser Länder Anschläge verüben», so Kepel weiter. Ziel sei eine Reaktion der Europäer - «ein Pogrom gegen Muslime» und in der Folge ein «Krieg zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen»: «Letztlich sollte das zum Zusammenbruch Europas und zur Errichtung eines Kalifats auf dessen Ruinen führen.»

Gilles Kepel ist einer der renommiertesten Forscher zum Thema islamischer Fundamentalismus und Autor des Standardwerks «Das Schwarzbuch des Jihad». Er lehrt am «Institut d'etudes politiques» in Paris. (KNA)

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