Reise mit Risiken - Bundesaußenminister Steinmeier im Iran und in Saudi-Arabien

Der Iran und Saudi-Arabien kämpfen um die Führungsrolle im Nahen Osten - keine einfache Sache also, wenn Steinmeier zum Doppelbesuch an den Golf fährt. Und dann wäre da noch ein Thema: Beide Staaten lassen so viele Todesurteile vollstrecken wie lange nicht mehr. Von Christoph Sator

Als Sigmar Gabriel in diesem Sommer zum ersten Mal nach Teheran flog, ein paar Tage nur nach der Atom-Einigung mit dem Iran, war die Maschine voll. Beim Trip des Vizekanzlers wollte vor allem die Wirtschaft dabei sein. Die Hoffnung, mit der Islamischen Republik ins Geschäft zu kommen, wenn die Sanktionen erst einmal aufgehoben sind, ist groß. Es geht um viele Milliarden.

An diesem Wochenende nun ist Frank-Walter Steinmeier zum ersten Mal in Teheran - ohne jede Begleitung aus der Wirtschaft. Das hat seinen Grund keineswegs darin, dass das Interesse von Deutschlands Managern geschwunden oder Wirtschaftsförderung im SPD-geführten Auswärtigen Amt verpönt wäre. Aber der Außenminister hat auch so Themen genug - zumal er dann auch noch nach Saudi-Arabien reist. Vor allem geht es darum, politischen Mehrwert aus dem Atomdeal zu ziehen, auf den sich die fünf UN-Vetomächte und Deutschland nach schier ewigen Verhandlungen Mitte Juli mit dem Iran verständigt hatten. Nach drei Monaten geht es mit der Umsetzung der Vereinbarungen erst jetzt so richtig los. Man liegt im Plan.

Aber noch fehlt es auf beiden Seiten an Vertrauen. Auf den ersten Handschlag zwischen den Präsidenten Barack Obama und Hassan Rohani wird noch immer gewartet. Auch aus einem Sechsertreffen der Außenminister im Privathaus von US-Ressortchef John Kerry auf der Insel Nantucket wurde nichts. Stattdessen musste sich der iranische Minister Mohammed Dschawad Sarif zuhause heftige Kritik anhören, weil er Obama auf einem UN-Flur die Hand gereicht hatte.

Trotzdem will Steinmeier nun versuchen, den Iran auch auf anderen Feldern zur Zusammenarbeit zu bewegen. Aktuell gilt das insbesondere für die Suche nach einer Friedenslösung für Syrien, wo die Iraner zusammen mit den Russen die wichtigsten Beschützer von Machthaber Baschar al-Assad sind. Eröffnet der Atomdeal tatsächlich Chancen auf eine Beendigung des Bürgerkriegs? Die Meinungen dazu sind geteilt.

Eines der größten Hindernisse ist die Rivalität zwischen Iran und Saudi-Arabien, am Golf bislang der engste Verbündete des Westens. Beide verstehen sich als regionale Großmächte mit Anspruch auf die Vorherrschaft im Nahen Osten. Hinzu kommt die religiös motivierte Konkurrenz zwischen Schiiten und Sunniten um den «richtigen Weg» im Islam.

So wird auch das kleinste Zugeständnis des Westens gegenüber Teheran von den Saudis mit Argwohn registriert. Im Jemen-Konflikt hat der neue saudische König Salman sogar erstmals eine eigene Militärallianz zusammengezimmert, gegen die Huthi-Milizen, die mit dem Iran verbündet sind. Der konfessionelle Graben, der durch den Nahen Osten läuft, wurde dadurch noch vertieft.

Die Hoffnung, Teheran und Riad beim Thema Syrien ins Gespräch zu bekommen, ist deshalb ziemlich gering. Von einer Vermittlerrolle will man in Deutschland nichts wissen. Steinmeier meint: «Es wird sehr schwierig sein, einen Verhandlungstisch für Syrien aufzustellen, an dem alle wichtigen regionalen Partner zusammenkommen.» Trotzdem will er sondieren, ob es die Möglichkeit gibt, «Brücken zu bauen».

Nach Meinung von Menschenrechtlern gibt es aber noch ein anderes großes Thema. Amnesty International verlangt von Steinmeier, in beiden Staaten auch die Missstände anzusprechen - und zwar nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern in der Öffentlichkeit. Die Amnesty-Generalsekretärin in Deutschland, Selmin Caliskan, hält die Menschenrechtslage für «alarmierend schlecht». Sowohl im Iran als auch in Saudi-Arabien gebe es gerade mehr Rück- als Fortschritte.

Besonders besorgt ist Amnesty darüber, dass beide Länder wieder mehr Todesurteile vollstrecken lassen. Im Iran wurden allein bis Mitte Juli mindestens 694 Menschen hingerichtet, fast genau so viele wie im gesamten Jahr zuvor. Nur in China tötet der Staat noch mehr. In Saudi-Arabien wurden nach der Machtübernahme des neuen Königs Salman im Januar bis Ende September mindestens 134 Menschen exekutiert – und damit jetzt schon mehr als im gesamten Jahr 2014.

Steinmeier kündigte in der «Bild»-Zeitung (Freitag) an, das Thema Menschenrechte «offen»  anzusprechen. Er fügte aber auch hinzu: «Wir können uns nicht immer aussuchen, mit wem wir reden. Eine Verweigerung jeden Dialogs würde nichts besser machen. Sicher auch die Lage der Menschenrechte nicht.« (dpa)