Ein Jahr nach Ende des Gazakriegs noch kein zerstörtes Haus ersetzt

Ein Jahr nach dem Ende des Gazakriegs von 2014 ist die Wiederaufbau-Bilanz ernüchternd: Kein einziges zerstörtes Wohnhaus in der Palästinenserenklave am Mittelmeer wurde wieder aufgebaut oder durch einen Neubau ersetzt. Erst vor zwei Monaten hat diese Phase des Wiederaufbaus überhaupt begonnen. Dass mehr als 100.000 kriegsgeschädigte Bewohner des Gazastreifens nach wie vor bei Verwandten oder in Notunterkünften ausharren müssen, hat zahlreiche Gründe - ein Überblick:

Wie groß ist der Bedarf?

Als am 26. August 2014 die mit 50 Tagen längste, verlustreichste und zerstörerischste der drei militärischen Konfrontationen radikaler Palästinensergruppen mit Israel endete, waren 19.000 Wohnungen und Einfamilienhäuser im Gazastreifen komplett zerstört oder unbewohnbar. Weitere 113.000 Wohnungen wurden beschädigt.

Was wurde seitdem repariert oder wiederaufgebaut?

Nach UN-Angaben konnten bisher noch keine neuen Wohnhäuser gebaut oder unbewohnbare wiederhergestellt werden. Erst Ende Juni starteten die Bauarbeiten mit Finanzhilfen aus Deutschland, Saudi-Arabien, Katar und Kuwait, wie es in einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat vom 19. August heißt. 2250 Familien durchlaufen dafür inzwischen das aufwändige Genehmigungsverfahren, 630 von ihnen haben erste Baustoffe erhalten. Mehrere zehntausend beschädigte Wohnungen wurden bereits repariert. Nach Angaben der israelischen Rechtshilfegruppe Gischa (Zugang) sind aber 69.000 Wohnungen weiter reparaturbedürftig.

Wieviel Baumaterial kam an und wofür wurde es verwendet?

Seit Kriegsende wurden bis Ende Juli 1,47 Millionen Tonnen Baustoffe über die israelische Grenze in den Gazastreifen transportiert. Gut ein Fünftel dieses Materials wurden laut Gischa für die Reparatur von Privatwohnungen verwendet. Die größere Menge ging an Bauprojekte der UNO und großer internationaler Hilfsorganisationen.

Nach den Berechnungen von Gischa werden aktuell insgesamt 22 Millionen Tonnen Baumaterial benötigt, um dem Reparaturbedarf aus allen drei Kriegen sowie der großen Nachfrage aufgrund des Bevölkerungszuwachses zu entsprechen und den Bau von Straßen, öffentlichen Gebäuden und Gewerbeanlagen zu bewerkstelligen.  

Warum wird der Import so stark reglementiert?

Die radikalislamische Hamas, die seit 2007 den Gazastreifen kontrolliert, errichtete seitdem zahlreiche, vornehmlich militärisch genutzte unterirdische Bauten und beschoss Israel, dem sie das Existenzrecht abspricht, immer wieder mit Raketen. Als Reaktion darauf blockiert oder begrenzt Israel seit acht Jahren den Import von  Stahl und Beton, die für den Bau von Bunkern und Angriffstunneln abgezweigt werden könnten. Zudem ist auch die Grenze zu Ägypten seit dem dortigen Machtwechsel vor zwei Jahren weitgehend abgeriegelt; die zahlreichen Schmugglertunnel wurden zerstört.

Vermittelt und überwacht von der UNO wurde im vergangenen Herbst zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und Israel ein zeitraubender Importmechanismus ausgehandelt, der einen Missbrauch des "dual use"-Materials verhindern soll.

Wie funktioniert dieser Mechanismus?

Der Gaza Reconstruction Mechanism (GRM) regelt, dass alle Baustoffhändler, Baufirmen und privaten Bauherren vorab von den israelischen Sicherheitsbehörden überprüft und autorisiert werden. Alle Lagerstätten für Baumaterial müssen rund um die Uhr von Wachleuten und Kameras kontrolliert werden. Zudem wurde bis Ende Juni über eine Formel gestritten, auf deren Basis der Materialbedarf pro Quadratmeter Baufläche beziffert wird. Erst seit in diesem Punkt ein Kompromiss gefunden wurde, können Neubauprojekte beantragt werden.

Ist auch die Nichteinhaltung der Zusagen von Geberländern für die Verzögerung des Wiederaufbaus verantwortlich?

Viele bei der Geberkonferenz im Oktober in Kairo gemachte Zusagen wurden nicht eingelöst, weil sie an die Vorbedingung gebunden waren, dass nicht die Hamas, sondern die Palästinensische Autonomiebehörde den Wiederaufbau kontrolliert. Die kam aber in Gaza nicht zum Zug. Deshalb fehlt es auch an Finanzmitteln, um Baustoffe zu kaufen und die Arbeiten zu bezahlen. Deutschland hat allerdings seine Zusagen eingehalten und bislang 80 Millionen Euro für die Kriegsgeschädigten zur Verfügung gestellt, darunter 37 Millionen Euro für den nun begonnenen Neubau ganzer Häuser. (AFP)

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