"Schwarz-Weiß-Schema" eines Konflikts

Der Darfur-Konflikt hat nach UN-Schätzungen bisher rund 300.000 Menschenleben gefordert. Die "Save Darfur Coalition" versucht, Bewusstsein für das Unrecht zu schaffen. Doch ist die Kampagne politisch nicht unumstritten. Von Claudia Mende

Der Konflikt in Darfur hat nach UN-Schätzungen bisher rund 300.000 Menschenleben gefordert. Die "Save Darfur Coalition" versucht zwar erfolgreich, Bewusstsein für das Unrecht zu schaffen. Doch die Kampagne ist politisch nicht unumstritten. Von Claudia Mende

Der Schauspieler und UN-Friedensbotschafter George Clooney in Darfur; Foto: AP
Öffentlichkeitswirksam im Dienste der populären, aber umstrittenen "Save Darfur"</wbr>-Kampagne: der amerikanische Schauspieler und UN-Friedensbotschafter George Clooney in Darfur.

​​ Keine Krisenregion in Afrika steht international so im Rampenlicht wie Darfur. Im Westsudan, an der Grenze zum Tschad, hat 2003 ein bewaffneter Aufstand gegen die Zentralregierung in Khartum einen brutalen Feldzug der islamistischen Militärregierung ausgelöst, unter dem vor allem die Zivilbevölkerung leidet.

In Amerika hat sich die Save Darfur Coalition zu einer Massenkampagne entwickelt, die sich vehement für Darfur einsetzt. Doch Kritiker werfen Save Darfur vor, ihre Kampagne helfe dem Sudan nur wenig.

Vor allem die so genannten Janjaweed, bewaffnete Reiterbanden, haben die Zivilbevölkerung seit 2003 immer wieder terrorisiert, indem sie Dörfer überfallen und ihre Einwohner umgebracht haben. Gleichzeitig zerstörten sie Brunnen und verwüsteten Felder, um einen Wiederaufbau zu erschweren.

Die Janjaweed wurden von der islamistischen Regierung in Khartum bewaffnet. Ihre Aktionen gehen zum Teil direkt auf Befehle aus Khartum zurück und werden immer wieder von Bombardierungen durch die reguläre Armee unterstützt. Opfer der Janjaweed sind vor allem jene ethnischen Gruppen, aus denen sich die Rebellen rekrutieren.

Manipulierte Opferzahlen?

Die Zahl der Todesopfer durch die gewalttätigen Auseinandersetzungen ist allerdings umstritten, da es sich bei Darfur – auch im afrikanischen Vergleich – um eine rückständige Region mit nur rudimentärer Infrastruktur handelt, in der die Menschen auch zu Friedenszeiten ums tägliche Überleben kämpfen. Die meisten Opfer von Gewalt gab es in den Jahren 2003 und 2004. Seit 2005 sind die häufigsten Todesursachen wieder Malaria, Unterernährung und Darminfektionen.

2005 war die gerade gegründete Save Darfur Coalition erst richtig in Aktion getreten. Über 180 politische und religiöse Gruppierungen hatten sich zum Bündnis für Darfur zusammengeschlossen.

​​ Die christlichen, jüdischen sowie einige muslimische Organisationen wie der American Islamic Congress und die Islamic Society of North America verfügen über ein Jahresbudget von rund neun Millionen Dollar.

Insgesamt 25 Hauptamtliche arbeiten in der Zentrale in Washington, die ausschließlich politische Lobbyarbeit betreibt. Jahrelang zielte die Kampagne darauf ab, die US-Regierung zu einem militärischen Eingreifen im Sudan zu bewegen, "um den ersten Genozid im 21. Jahrhundert zu verhindern", wie es hieß.

Hollywoodstars wie George Clooney und Mia Farrow haben Save Darfur dabei immer wieder öffentlichkeitswirksam unterstützt. Beide Schauspieler besuchten mehrfach Darfur und die Flüchtlingslager im angrenzenden Tschad. Ihre Aktionen trugen zu der großen Bekanntheit der Save Darfur Coalition in den Vereinigten Staaten bei.

Mia Farrow fastete bei einer Protestaktion in diesem Jahr 21 Tage für Darfur, nachdem die Regierung Bashir 16 Hilfsorganisationen im Frühjahr aus Darfur verbannt hatte. Das war die Retourkutsche des Regimes, nachdem der internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen internationalen Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten Omar al-Bashir ausgesprochen hatte.

Kein Ansatz zur Lösung des Konflikts

Dass die Kampagne lautstark und öffentlichkeitswirksam ist, kann niemand bezweifeln. Kritiker werfen ihr aber eine "Schwarz-Weiß-Sicht" des Konfliktes vor, die Vorurteile gegen Muslime und Araber bestätige und nicht zu einer Lösung des Konflikts beitrage.

Flüchtlinge in Darfur; Foto: AP
Seit Februar 2003 herrscht in Darfur Bürgerkrieg. Bisher starben in dem Konflikt nach UN-Schätzungen rund 300.000 Menschen, weitere 2,7 Millionen wurden in die Flucht getrieben.

​​ Einer der schärfsten Kritiker von Save Darfur ist Mahmoud Mamdani von der Columbia University in New York. Der gebürtige Ugander, einer der führenden afrikanischen Intellektuellen in den USA, urteilte gegenüber der New York Times: "Ich bin gegen die, die genaue Kenntnis durch moralische Gewissheit ersetzen und sich als tugendhaft gerieren, selbst wenn sie auf der Basis totaler Ignoranz handeln."

In seinem neuesten Buch "Saviors and Survivors, Darfur, Politics and the War on Terror" wirft Mamdani der Save Darfur Coalition vor, das Schema des Krieges im Südsudan einfach auf die Situation in Darfur zu übertragen. Im langjährigen Bürgerkrieg im Süden des größten afrikanischen Flächenstaats verliefen die Konfliktlinien zwischen der muslimisch-arabischen Regierung im Norden und einem christlich-animistisch geprägten schwarzafrikanischen Süden.

Doch in Darfur greife das Schema Araber gegen Afrikaner nicht, betont Mamdani, denn die Janjaweed rekrutieren sich sowohl aus arabischen als auch nicht-arabischen Nomaden.

Gleichzeitig ist die Bevölkerung fast durchgehend muslimisch, die religiöse Komponente als Ursache fällt weg. Die Ursache des Konflikts liege vielmehr in der tief greifenden Krise des Nomadentums, das sich seit der großen Dürre im Sahel vor vier Jahrzehnten nie recht erholen konnte.

Arabische Opfer bleiben unberücksichtigt

Auch die britische Journalistin Julie Flint und der Wissenschaftler Alex de Waal vom Social Science Research Council, beide langjährige Kenner des Sudan, bezweifeln den Nutzen von Save Darfur angesichts einer immer verfahreneren Situation im Westen des Sudan.

Save Darfur trage zu einer Dämonisierung der Araber bei, kritisieren Alex de Waal und Julie Flint in ihrem neuen Buch "Darfur. A New History of a Long War", das 2010 auch auf Deutsch erscheinen soll.

Janjaweed in Darfur; Foto: AP
Nach Auffassung von Mahmoud Mamdani von der Columbia University greift das Schema Araber gegen Afrikaner in Darfur nicht, da sich die Janjaweed sowohl aus arabischen als auch nicht-arabischen Nomaden rekrutieren.

​​"Die Kampagne lässt völlig außer acht, dass es auch arabische Opfer des Konflikts gibt", monieren die Autoren. So seien die ersten Berichte über arabische Opfer des Konflikts erst seit 2006 in den Medien zu finden. Hilfsorganisationen hätten die arabischen Opfer nicht im Blick gehabt.

Darfurs Rebellen, die seit 2003 in immer weitere Fraktionen und Splittergruppen zerfallen sind, haben ihrerseits Menschenrechtsverletzungen begangen und sind nicht unschuldig daran, dass es zu keiner politischen Lösung für Darfur kommt.

Mit ihrer vereinfachten Darstellung des Konflikts schaffe Save Darfur für die Militärregierung in Khartum den Vorwand, die Arbeit der Hilfsorganisationen in der Region zu behindern.

Keine einseitige Schuldzuweisung

Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin hält diesen Vorwurf für überzogen, auch wenn sie grundsätzlich die Kritik an der Save Darfur Coalition teilt. Die Behinderung oder Ausweisung von Hilfsorganisationen im Westsudan könne man ihr allerdings nicht anlasten.

"Die Regierung in Khartum hat die Arbeit der Hilfsorganisationen oft genug behindert. Sie braucht dazu sicher keinen Vorwand durch die Save Darfur Kampagne", betont die Wissenschaftlerin. Dennoch kritisiert auch Weber die Sichtweise der Aktivisten auf den Sudan. "

Save Darfur hat eine klares "Schwarz-Weiß-Schema" des Konflikts. Danach sind die Opfer in Darfur und die Täter in Khartum", meint sie. Die Situation eigne sich aber nicht für einseitige Schuldzuweisungen.

Heute ist Darfur weiter denn je von einer politischen Lösung entfernt, während sogar der Frieden zwischen Nord und Süd wieder ins Wanken gerät. Und so sind die Aussichten für den Sudan weiterhin ungewiss. Sicher verabschieden muss man sich von einfachen Lösungen wie einer Intervention von außen.

Alex de Waal schreibt treffend in seinem Blog: "Es ist der große Irrtum der Save-Darfur-Kampagne, dass eine Lösung durch Eingreifen von außen kommen soll. Wenn es eine Lösung für Darfur geben soll, dann wird sie aus dem Sudan selber kommen und eine politische Lösung sein, die die strukturellen politischen Herausforderungen im Sudan angeht.“

Claudia Mende

© Qantara.de 2009

Mahmood Mamdani, Saviours and Survivors. Darfur, Politics, and the War on Terror, New York, 2009.
Julie Flint, Alex de Waal, Darfur. A New History of a long War, London, New York, 2009

Qantara.de

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