Tödliche Grauzone

Angesichts immer komplexer werdender kriegerischer Auseinandersetzungen stellt sich die Frage nach der Sicherheit von Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten. Es ist eine tödliche Grauzone, in der sich Medienarbeiter immer wieder bewegen. Von Petra Tabeling

Angesichts immer komplexer werdender kriegerischer Auseinandersetzungen stellt sich seit langem die Frage nach der Sicherheit von Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten. Es ist eine tödliche Grauzone, in der sich Journalisten und Medienarbeiter immer wieder bewegen. Von Petra Tabeling

Denkmal für Journalisten in der französischen Stadt Bayeux; Foto: Petra Tabling
Denkmal für ermordete Journalisten in der französischen Stadt Bayeux

​​Es war ein schwarzer Tag für die Medien und für die Pressefreiheit, als sich in der vergangenen Woche Angehörige getöteter Journalistinnen und Journalisten in der französischen Stadt Bayeux versammelten, um das europaweit erste Denkmal für Journalisten einzuweihen - zum Gedenken an über 2.000 Medienarbeiter, die seit 1944 weltweit ums Leben gekommen sind.

Und ausgerechnet an diesem Wochenende bestimmten Morde an Journalisten die Öffentlichkeit: Karen Fischer und Christian Struwe , zwei deutsche Mitarbeiter der Deutschen Welle, wurden in Afghanistan getötet, die russische Journalistin Anna Politkowskaja in ihrer Moskauer Wohnung ermordet.

Es stellt sich dringender denn je die Frage nach der Sicherheit von Journalisten angesichts einer fortschreitenden Globalisierung, die für unklare Interessen, Feindbilder und Akteure gesorgt hat.

Keine Sicherheiten

Besonders die Lage im Irak, wo seit Beginn des Krieges von März 2003 bis heute über 100 Medienarbeiter umkamen, macht deutlich, dass Journalisten immer wieder zur Zielscheibe der Kriegsparteien werden.

Auch in Afghanistan geraten Medienarbeiter nicht nur ins Zielfeld der Taliban oder anderer Guerillagruppen, sondern ebenso der westlichen Militärstreitkräfte. Wer "embedded" arbeitet, also in den Reihen des Militärs, kann sich weder der körperlichen Sicherheit noch der journalistischen Unabhängigkeit sicher sein.

Entführungen haben sich zudem zu einer realistischen Gefahr entwickelt.

Französischer Gesetzentwurf

Die Ermordung französischer Journalisten und die Entführung französischer Korrespondenten wie Florence Aubenas oder Christian Chesnot waren dann auch einer der wesentlichen Gründe, warum das französische Parlament nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt hat, um den Status von Journalisten in kriegerischen Konflikten auf internationaler Ebene zu stärken.

Darin, so heißt es beispielsweise, müssen die Genfer Konventionen, die Journalisten als Zivilpersonen in Kriegen definieren und die deshalb als solche zu schützen sind, erweitert werden.

Der UN-Sicherheitsrat müsse das Recht auf Informationsbeschaffung ohne jegliche Einschränkung garantieren, außerdem solle die NATO das so genannte "Grünbuch" der britischen Streitkräfte adaptieren, die Anfang dieses Jahres erstmals die Unabhängigkeit von Journalisten in Kampfgebieten anerkannt haben.

Ferner sollen Verbrechen an Journalisten künftig vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gebracht werden können, zudem sei ein finanzieller Fond für Journalisten in Krisensituationen hilfreich.

Robert Menard, Vorsitzender von Reporter ohne Grenzen, der maßgeblich an dem Entwurf beteiligt war und derzeit in weiteren Gesprächen mit der französischen Regierung ist, begrüßt die Anerkennung und die Zugeständnisse politischer Verantwortlicher:

"Wenn die französische Regierung den Entwurf erst einmal übernimmt, erhoffen wir uns entsprechende Adaptionen der deutschen und anderen europäischen Regierungen bis hin zum Sicherheitsrat der Vereinten Nationen."

Stärkung der freien Medienarbeiter vor Ort

Auf der diesjährigen Konferenz für Kriegsreporter in Bayeux wurde der parlamentarische Bericht mit Nahost-Korrespondenten diskutiert und kritisiert:

"Die Taliban, Al Qaida oder die Hamas lesen so einen Text nicht, man kann sich nie in Sicherheit wiegen. Das ist heutzutage im Irak oder in Afghanistan schlichtweg unmöglich. Das größere Problem ist die Situation der Freien Journalisten und der arabischen Mitarbeiter vor Ort, weil sie oftmals nicht einmal eine Versicherung haben und keine finanzielle Unterstützung ihrer Auftraggeber", so Emmanuel Razavi von der Hamsa-Agentur mit Sitz in Kabul.

"Unsere einheimischen Zuarbeiter erhalten von uns eine monatliche Vergütung und eine Versicherung. Das ist unsere Philosophie, aber es machen wenige. Ein irakischer Zuarbeiter ist doch nicht weniger wert als ein westlicher Journalist!"

Das kritisiert auch Robert Menard: "Für zwei westliche Mitarbeiter der New York Times beispielsweise arbeiten allein über 80 Personen aus dem Irak, vom Fahrer, Übersetzer bis hin zum Informanten. Ich bezweifle, dass genügend finanzielle Mittel für sie bereit stehen. Dabei sind sie diejenigen, die das größere Risiko tragen."

Humanitäres Recht auf Information

Mittlerweile gibt es allerdings auch Initiativen zur Finanzierung entsprechender Sicherheitstrainings für Journalisten und Medienmitarbeitern vor Ort, die oftmals weder eine finanzielle noch organisatorische Möglichkeit haben, die Fortbildungen zu bezahlen.

Das International News Safety Institute (INSI), das vor vier Jahren gegründet wurde, bietet daher mit Hilfe von Spenden westlicher Medienunternehmen wie der BBC Sicherheitstrainings vor Ort an.

"Ein Tropfen auf den heißen Stein", so Sarah de Jong von INSI, "aber immerhin. Es ist wichtig, dass man weltweit versteht, dass die Tötung eines Journalisten auch immer ein Angriff auf die Wahrheit ist. Und wir brauchen viele Journalisten, vor allem in Kriegsgebieten wie im Irak, um sie herauszufinden. Es ist das humanitäre Recht des Menschen auf Information, das wir stärken, wenn Politiker, Regierungen, das Militär und andere Akteure Journalisten absolut respektieren."

Wie schwierig es bislang war, das zu akzeptieren, zeigte der Beschuss des Hotels Palestine in Bagdad durch amerikanische Streitkräfte im Jahr 2003 und der Büros der beiden arabischen Fernsehsender Al Dschasira und Abu Dhabi TV, bei dem mehrere Journalisten starben.

James Miller, ein britischer Dokumentarfilmer starb durch den gezielten Schuss eines israelischen Soldaten im Gaza-Streifen - trotz deutlicher Kennzeichnung als Journalist.

Heißes Pflaster Nahost

Auf dem Mahnmal für getötete Medienarbeitern in Bayeux finden sich besonders viele Namen von Journalisten aus dem Nahen Osten. Darunter auch der französisch-libanesische Journalist Samir Kassir. Der Kolumnist der Tageszeitung "Al-Nahar" starb im Juni 2005 in Beirut bei einem Bombenanschlag auf sein Auto.

Er hatte immer wieder den "libanesischen Polizeistaat" angeprangert. Das Mahnmal sei eine Botschaft und ein trotziges Symbol für diejenigen, die trotz aller Risiken versuchen, die Wahrheit herauszufinden, so der Vorsitzende der internationalen Organisation Reporter ohne Grenzen, Robert Menard, bei der Eröffnung.

Ein Marmorstein ziert den kleinen Park mit einem Zitat der französischen Philosophin und Journalistin Simone de Beauvoir: Man könne nur dann Freiheit kosten, wenn andere frei sind.

Nun müssen drei neue Namen in die weißen Marmorsteine eingraviert werden. Die Frage nach der Sicherheit bleibt.

Petra Tabling

© Qantara.de 2006

Qantara.de

Medien im Irak
Meinungsfreiheit im Visier
Entführungen, Mordanschläge, Terror: Fast 90 Journalisten wurden bisher im Irak getötet, mehr als in jedem anderen Konflikt. Zwei Drittel der Opfer waren irakischer Herkunft. Übersetzer, Kameramänner und Reporter, die für internationale Sender, Nachrichtenagenturen oder Zeitungen arbeiteten. Einzelheiten von Petra Tabeling

Dokumentarfilm
Wenn Krieg sich wie Krieg anfühlt
Wie fühlt sich Krieg an, wenn man über ihn berichten muss? Der Filmemacher Esteban Uyarra porträtiert in seinem Dokumentarfilm "War feels like war" Journalisten, die weder mit Helm und schutzsicherer Weste, noch mit Hilfe amerikanischer Militärs über den Krieg im Irak berichteten. Der Film erscheint in den nächsten Monaten bei der BBC.

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