Integration als Fata Morgana

Türkische Kabarettisten sind aus der deutschen Comedy-Szene heute nicht mehr wegzudenken. Ein neuer Name in dieser Community ist Alparslan Marx, der selbsternannte "Integrator" aus Köln. Seine Spezialität: politisches Kabarett. Ein Porträt von Nadja Baeva

Türkische Kabarettisten sind aus der deutschen Comedy-Szene heute nicht mehr wegzudenken. Ein neuer Name in dieser Community ist Alparslan Marx, der selbsternannte "Integrator" aus Köln. Seine Spezialität: politisches Kabarett. Ein Porträt von Nadja Baeva

Alparslan Marx; Foto: © Alparslan Marx
Der "Integrator" - alias Alparslan Marx: Wie einen Flickenteppich breitet er seine Witze vor dem Publikum darüber aus, wie die Deutschen und die Türken nebeneinander und trotzdem aneinander vorbei leben.

​​Das Kölner Bürgerzentrum "Altenberger Hof" ist bis auf den letzten Platz besetzt. Auf der Bühne steht Alparslan Marx, sein Künstlername lautet "der Intergrator".

"Ich heiße Alparslan und ich bin ein Türke. Ich bin voll integriert" – mit diesen Worten beginnt der Kabarettist seine zweistündige Show.

Bissig und selbstironisch

Bissig, selbstironisch und unterhaltsam bringt er Themen wie Integration, Migration und Einwanderung in kleinen Dialogen auf den Punkt - und zwar so, dass kein Auge trocken bleibt.

Meistens erzählt der Türke Anton seinem deutschen Freund Günther, wie es sich als Migrant in Deutschland so lebt. Seit einem Jahr bereist der "Integrator" mit seinem Kabarett-Programm "Alles wird gut" ganz Deutschland.

"Ich habe immer schon ein bisschen Theater gespielt. Es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht", erinnert sich Alparslan Marx an den Anfang seiner Karriere auf der Bühne.

Muhsin Omurca; Foto: privat
Seit Muhsin Omurcas und Sinesi Dikmens "Knobibonbons" sind türkische Kabarettisten auf deutschen Kleinkunstbühnen nicht mehr wegzudenken. Neben Omurca sind auch Kaya Yanar, Serdar Somuncu, Bülent Ceylan, Fatih Cevikkollu und viele andere gern gesehene Gäste in Kabarettkellern und TV-Comedyshows.

​​Deswegen hat er vor zwölf Jahren angefangen, in Köln Theater zu spielen. Als die Integrationsproblematik in Deutschland immer mehr zum gesellschaftlichen Thema wurde, begann auch Marx sich damit intensiver zu beschäftigen. "Als sich dann immer mehr Leute darüber aufregten, hat mich das natürlich auch aufgeregt, was man über Türken, über Migranten losgelassen hat", erinnert sich der heute 46jährige Marx.

Und so entstand die Kunstfigur "der Integrator". Im richtigen Leben ist Alparslan Marx Bauunternehmer. Er ist verheiratet mit einer deutschen Frau und hat drei Kinder. Er ist zwar in Lübeck geboren, aufgewachsen ist er aber in Istanbul. Vieles aus seinem Programm hat der Türke am eigenen Leib erfahren, als er Anfang der 1990er Jahre zum Studium nach Deutschland kam.

Die Ideen für die Kabarett-Nummern entstehen durch Begegnungen mit den Menschen, die in Deutschland leben: mit Deutschstämmigen, aber auch mit Ausländern. "Alle haben fast die gleichen Vorurteile", stellt Alparslan Marx fest. "Es fängt mit dem Namen an. Ich notiere mir alles, ob Dialoge bei den Behörden oder geschäftliche Begegnungen. Ich freue mich immer, sie dann bei der nächsten Gelegenheit als Anekdote erzählen zu können."

Integration als Fata Morgana

Wie einen Flickenteppich breitet Alparslan Marx seine Witze vor dem Publikum darüber aus, wie die Deutschen und die Türken nebeneinander und trotzdem aneinander vorbei leben.

Der 46jährige Hobby-Kabarettist nimmt in seinem Soloauftritt die typischen Verhaltensweisen der Einheimischen und der Migranten aufs Korn und spricht fast jeden Lebensbereich an: angefangen bei der Bildung, über den berüchtigten Einbürgerungstest bis hin zu türkischen Traditionen - oder was "die" Deutschen darunter verstehen.

​​ Der Integrator Alparslan Marx ist inzwischen ein gern gesehener Gast auf Deutschlands Theaterbühnen, vor allem bei Benefiz- und Antirassismusveranstaltungen. Jedes Mal stellt er dabei fest, dass die Witze über Integration sowohl beim deutschen als auch türkischen Publikum gleichermaßen gut ankommen.

Integration sei ja tatsächlich ein Witz, eine Fata Morgana, sagt er. Die deutsche Gesellschaft werde sie nie erreichen, ist sich der Kölner Kabarettist sicher: "Wenn man die Deutschen fragt: Was meint Ihr mit Integration?, dann sagen sie: 'Deutsch lernen'. Gut, ich habe Deutsch gelernt. Was denn noch? 'Auf unsere Verfassung schwören.' Das mache ich auch, was denn sonst?"

Deswegen sei Deutschland nicht aufnahmefähig, "weil man selber diese Voraussetzungen nicht definieren kann", so das nüchterne Fazit des Kabarettisten.

Das ist auch der Grund dafür, weshalb sich Alparslan Marx seit Jahren für die Einführung einer neuen Definition der deutschen Staatsangehörigkeit einsetzt. "Wir bekennen uns zu unserer ethnischen Herkunft, aber wir vergessen, uns zu der Gesellschaft zu bekennen, in der wir leben."

Dafür fehle auch ein Wort, meint der Kabarettist und schlägt einen neuen Begriff für alle Einwohner der Bundesrepublik Deutschland vor: D-Länder oder Deutsch-Länder. "Ich beziehe mich auf meine territoriale Herkunft, damit unsere Gemeinsamkeit rauskommt. Wir sitzen alle in einem Boot."

Nadja Baeva

© Qantara.de 2010

Qantara.de

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