"Hijacker – the Life of Leila Khaled"

In ihrem Film "Hijacker" porträtiert die palästinensisch-schwedische Autorin Lina Makboul die einstige militante Palästinenserin Leila Khaled und stellt darin die Frage nach den Grenzen zwischen Terrorismus und Freiheitskampf. Von Petra Tabeling

Lina Makboul, Foto: Petra Tabeling
Makboul's Dokumentation über Leila Khaled stellt die Hintergründe des Nahostkonflikts und die Dimension des bewaffneten Widerstands radikaler Palästinenser in den 60er und 70er Jahren überzeugend dar

​​Der Dokumentarfilm "Hijacker – The Life of Leila Khaled" wurde auf dem diesjährigen Internationalen Dokumentarfilmfestival in Amsterdam zum ersten Mal gezeigt. Er dokumentiert das Leben der PFLP-Aktivistin Leila Khaled, die 1969 und 1970 durch ihre Beteiligung an zwei Flugzeugentführungen bekannt wurde. Heute lebt Leila Khaled in der jordanischen Hauptstadt Amman mit ihrem Mann und zwei Kindern.

Frau Makboul, wie kamen Sie auf die Idee, einen Dokumentarfilm über Leila Khaled zu machen?

Lina Makboul: Ich bin palästinensischer Herkunft. Ich wurde in Schweden geboren und meine Eltern stammen aus der Westbank. In meiner Kindheit war Leila Khaled mein Vorbild, mein Idol. Meine Eltern haben mir Geschichten über sie erzählt. Als ich dann später als Erwachsene ein Buch über Terrorismus las, in dem es hieß, dass sie tot sei, wurde ich hellhörig. Von meinen Verwandten habe ich dann erfahren, dass dies nicht stimmt, denn schließlich war sie sogar regelmäßig im Fernsehen zu sehen. Ich wollte wissen, was aus ihr geworden ist.

Wie haben Sie es denn geschafft, Leila Khaled für ein Porträt zu gewinnen?

Makboul: Ich habe viele Verwandte und Freunde in Palästina und nach ein paar Telefonaten bekam ich schließlich ihre Telefonnummer. Es war gar nicht so schwierig. Sie war zunächst sehr skeptisch und hat sich selbst nach meiner Herkunft erkundigt. Nach ein paar Vorgesprächen willigte sie schließlich in das Filmprojekt ein. Sie spricht eigentlich kaum mit westlichen Journalisten, weil diese sie immer als "die Terroristin" sehen wollen, als eine teuflische Frau. Ich denke meine Herkunft war ausschlaggebend dafür, dass sie mit mir gesprochen hat.

​​Wie einflussreich ist Leila Khaled heute? Hat sie als einst militante Aktivistin mit ihrem politischen Kampf für ein freies Palästina gebrochen?

Makboul: Nein, überhaupt nicht. Sie ist immer noch sehr bekannt, vor allem im Libanon. Sie ist Mitglied des Palästinensischen Nationalrates und repräsentiert dort die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP). Sie wird von anderen Länder eingeladen um über den Nahostkonflikt zu sprechen und über die Situation der Frauen in den besetzten Gebieten. In Sendern wie al-Dschasira kritisierte sie Arafat als korrupt und anti-demokratisch. Das war sehr mutig für sie als Frau.

Warum wollten Sie unbedingt ihr einstiges "Idol" treffen?

Makboul: Man muss sich das vorstellen: Da ist eine Frau, 24 Jahre alt, die in ein Flugzeug steigt, bewaffnet ist mit einer Maschinenpistole und Handgranaten, und es entführt. Danach läßt sie sechs Gesichtsoperationen an sich vornehmen, nur um den nächsten Flieger zu entführen. Ich wollte diese Frau unbedingt treffen und sie fragen, was sie dazu bewegt hat.

Seit meiner Kindheit werde ich mit dem israelisch-palästinensischen Konfikt konfrontiert, jeden Sommer reiste ich zu meinen Verwandten in die Westbank. Eine zentrale Frage, die mich dabei in Schweden immer wieder bewegt hat, ist die, die meine Herkunft betrifft. Durch Khaleds Flugzeugentführungen, die letztlich unblutig verliefen, habe ich das Gefühl, dass sie damit auf viele Menschen palästinensischer Herkunft ein schlechtes Licht geworfen hat. Denn das ist der Eindruck, den ich habe, wenn ich Menschen in Schweden erzähle, dass ich palästinensischer Abstammung bin. Dann wird dies schnell gleichgesetzt mit Begriffen wie Terrorismus. Ich wollte diese Frage unbedingt Leila Khaled stellen.

Doch zu einer Antwort soll es auf die Frage, ob sie dem Ansehen der Palästinenser geschadet habe, nicht kommen, weil Sie sich dazu im Film nicht wirklich trauen. Ganz zum Schluß erst stellen Sie Leila Khaled die Schlüsselfrage - aber der Zuschauer erfährt nicht die Antwort.

Makboul: Nun, nach einer ganz langen Pause hat Leila Khaled die Frage schliesslich mit "nein" beantwortet. Mehr nicht. Ich war aber nicht überrascht. Die Interpretation bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen, ob es richtig ist, was sie getan hat oder nicht.

Sie befragen aber nicht nur Leila Khaled zur Rechtfertigung ihrer Taten, die sie bis heute nicht bereut, sondern auch ihre ehemaligen Entführungsopfer.

Makboul: Ja, ich fand es wichtig, dass ich alle Meinungen zu den Entführungsereignissen vor 35 Jahren aus der heutigen Sicht heraus zeige, nicht nur die der Kidnapperin, sondern auch die ihrer damaligen Opfer. Ich war allerdings sehr überrascht, als ich den amerikanischen Piloten danach fragte und er antwortete, dass er ihre Tat verstehen könne. So eine Antwort habe ich nicht erwartet.

Glauben Sie nicht, dass Ihnen - schon alleine wegen ihrer Herkunft - der Vorwurf gemacht werden könnte, eine tendenziöse, israel-kritische Dokumentation zu zeigen?

Makboul: Ich arbeite seit acht Jahren als Journalistin in Schweden und habe die Erfahrung gemacht, dass es ganz egal ist, was man über den israelisch-palästinensischen Konflikt schreibt, der Vorwurf wird immer präsent sein. Als ich den Film machte, war nur eines klar: Ich bin palästinensischer Herkunft und dies ist meine Art ihn zu machen. Ich erwarte Reaktionen auf Szenen in der Dokumentation, die diesen Eindruck erwecken könnten.

Es gibt diese Szenen, z.B. als die israelische Flagge gehisst wird, darüber der Kommentar über israelischen Staatsterrorismus...

Makboul: Ja, das war Absicht. Ich denke, dass der israelische Staat im historischen Zusammenhang mit der paramilitärischen "Stern gang" tatsächlich terroristisch agiert hat. Ausserdem wollte ich zeigen, dass man als Terrorist definiert wird, wenn man verliert, denn es ist der Gewinner der die Geschichte schreibt.

Also sympathisieren Sie doch mit Leila Khaled?

Makboul: Ich sympathisiere weder mit der PFLP noch mit Leila Khaled. Nach internationalem Recht darf man sich aber verteidigen, wenn man besetzt wird. So gesehen hatte sie daher das Recht dazu gehabt. Ich glaube nicht, dass Nelson Mandela ein Terrorist war, und als solcher wurde er früher von der weißen Regierung gesehen.

Wenn Ihr Film in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten gezeigt wird, könnte das nicht für neuen Zündstoff sorgen?

Makboul: Ich hoffe, dass "Hijacker – The life of Leila Khaled" auch dort gezeigt wird. Und ich bin mir auch bewußt, dass er beide Seiten, Palästinenser als auch Israelis, provozieren wird. Als ich den Film palästinensischen Freunden in Schweden gezeigt habe, mochten ihn viele nicht. Sie waren der Meinung, dass ich Leila Khaled in einem schlechten Licht zeige. Der Film war aber nicht gedacht, es jedem Recht zu machen, weder den Israelis noch den Palästinensern. Und er ist auch nicht für diesen Personenkreis gedacht, sondern für Zuschauer, die nicht viel wissen über den palästinensisch-israelischen Konflikt. Er soll zum Nachdenken anregen.

Interview: Petra Tabeling

© Qantara.de 2006

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